Von einer Schwellung am Augenlid zum Kampf um Leben und Tod

Mit einer kleinen Schwellung am Augenlid fängt alles an. Vielleicht ein etwas hartnäckiger Mückenstich, denkt sich Torsten Sieblist aus Breitungen. Der passionierte Radfahrer ist schließlich oft in der Natur unterwegs. Doch Salben und Tropfen helfen nichts. Die Schwellung bleibt, wird schlimmer und macht sich auch am zweiten Auge breit. Hinzu kommen zunehmend weitere Symptome: Der damals 46-jährige Maschinenbau-Meister ist kraftlos, erschöpft, seine Hände fühlen sich taub an. Er entwickelt Gelenkschmerzen in den Händen, schwere Halsschmerzen und zunehmende Luftnot. „Es hat sich wie eine Dauer-Angina angefühlt“, erinnert er sich zurück. Trotz zahlreicher Arztbesuche in den kommenden Wochen und Monaten – vom Hausarzt über den Hautarzt hin zu einem Klinikaufenthalt, wo sogar eine Gewebeprobe unter dem Auge genommen und sein Blut gründlich untersucht wird – herrscht weiterhin Unklarheit, was mit Torsten Sieblist los ist. Einen Zusammenhang zwischen der Augenlidschwellung und den weiteren Symptomen erkennt zunächst keiner. Fakt ist: Es geht ihm immer schlechter.

Schließlich kommt Torsten Sieblist ins Uniklinikum Jena (UKJ). Mittlerweile ist ein halbes Jahr vergangen. Er hat Fieber, seine Sauerstoffsättigung wird immer schlechter. Aufnahmen seiner Lunge zeigen Schattierungen, eine interstitielle Lungenerkrankung. Nun schalten sich die Rheumatologen aus der Klinik für Innere Medizin III unter der Leitung von Prof. Gunter Wolf ein – und haben eine wegweisende Idee. Sie bestimmen in seinem Blut den Antikörper MDA5. „Der war hoch positiv“, berichtet Prof. Peter Oelzner, Leiter des Funktionsbereichs Rheumatologie am UKJ. „Und damit war klar: Der Patient leidet an der sogenannten Amyopathischen Dermatomyositis.“ Dabei handelt es sich um eine seltene entzündliche Erkrankung aus dem rheumatologischen Formenkreis. „Das Tückische bei der Amyopathischen Dermatomyositis: Es lassen sich zwar Hauveränderungen, aber eben nicht die typischen Muskelentzündungen nachweisen“, erklärt Rheumatologe Oelzner, der selbst nur eine Handvoll Fälle dieser Erkrankung erlebt hat. Charakteristisch für das Krankheitsbild ist eine schnell fortschreitende und schwer zu behandelnde interstitielle Lungenerkrankung.

„Bei Torsten Sieblist hatten wir es zudem mit einer besonders rasch fortschreitenden Form zu tun“, erzählt er. Der Patient stand kurz vor einer Intubationspflichtigkeit. Man kann sagen: von einer Augenlidschwellung bis kurz vorm Tod.“ Unter einer sehr intensiven Therapie mittels Kombination verschiedener Immunsuppressiva mit Cortison und hoch dosierten Immunglobulinen können die Experten am UKJ zumindest das weitere Voranschreiten der Erkrankung aufhalten. Dennoch verschlechtert sich die Situation weiter. Prof. Oelzner durchkämmt nochmals die neuesten Publikationen der ohnehin raren Literatur zur Behandlung dieser seltenen rheumatologischen Erkrankung und findet erstmals einen Fall, der mithilfe einer so genannten Plasmapherese behandelt wurde. Bei diesem Verfahren werden aus dem Blut des Patienten gezielt Antikörper entfernt und das gereinigte Blut wieder in den Patienten zurückgeführt. So beschließen die Ärzte am UKJ, bei Torsten Sieblist zunächst die Plasmapherese und später das noch selektivere ähnliche Verfahren der Immunadsorption zu versuchen – mit Erfolg. Dem Patienten geht es deutlich besser. „Das war sicherlich einer der dramatischsten Fälle, die ich erlebt habe. Aber mit einem guten Ende“, so Prof. Oelzner.

Allerdings ist die Erkrankung nicht heilbar, die Schäden an Torsten Sieblists Lunge sind nicht rückgängig zu machen und er muss regelmäßig ins Institut für Transfusionsmedizin am UKJ zur Immunadsorption kommen. Dazu erhält er von den Rheumatologen weitere Medikamente, unter anderem Cortison und eine moderne Therapie mit einem sogenannten JAK-Inhibitor. „Glücklicherweise hat sich in den vergangenen Jahren hier sehr viel getan, die Medikamente haben weniger Nebenwirkungen und wirken gezielter, wo sie sollen“, so Dr. Alexander Pfeil, Oberarzt der rheumatologischen Station. 

Auch jetzt, sechs Jahre später, ist Torsten Sieblist am UKJ in Behandlung. Mittlerweile kommt der heute 52-Jährige alle vier Wochen. „Ich wurde von heute auf morgen aus dem Leben gerissen. Das war damals auch für meine Familie sehr schlimm. Meine Frau Conny ist Krankenschwester und hat sich rund um die Uhr um mich gekümmert. Ohne sie wäre ich aufgeschmissen“, sagt Torsten Sieblist. Obwohl er nicht mehr gesund wird und nicht mehr arbeiten kann, hat er sich mit seinem Schicksal arrangiert. „Anders geht es nicht.“ Statt kräftig in die Pedale zu treten, ist er nun auf ein E-Bike umgestiegen und lässt sich zumindest seine Lebensfreude nicht nehmen.

Der Weltrheumatag findet jährlich am 12. Oktober statt. Ziel ist es, die Anliegen rheumakranker Menschen an diesem Tag in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. In Deutschland leiden circa 2 Millionen Patienten an entzündlich rheumatischen Erkrankungen. Dabei kann jede Altersgruppe von rheumatischen Erkrankungen betroffen sein. Die Erkrankungen verlaufen meistens chronisch und bedürfen einer lebenslangen Behandlung.

 

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