Tiere, Trubel und Traktoren fallen aus, doch Tradition bleibt

Oktoberfest ohne Landwirtschaft? Undenkbar. Und zwar nicht nur, weil es ohne Bier oder Hendl recht fad wäre auf der Wiesn, sondern weil es das größte Volksfest der Welt ohne das Landwirtschaftsfest gar nicht geben würde. Das Bayerische Zentral-Landwirtschaftsfest (ZLF) ist nämlich das älteste derartige Fest im deutschen Sprachraum und gleichzeitig der Ursprung des Münchner Oktoberfests.

Mit dem ersten Landwirtschaftsfest wollte der König 1811 nicht nur an den großen Erfolg der Hochzeit des Kronprinzen im Jahr zuvor anknüpfe, sondern vor allem einem „schnellen Aufschwung von Bayerns Landwirthschaft“ auf die Sprünge helfen und Wohlstand in einen armen Staat tragen. Denn mehr als vier Fünftel der bayerischen Bevölkerung leben auf dem Land, drei Viertel der Bevölkerung sind selbst Bauern oder arbeiten in der Landwirtschaft.  

Um 1800 beginnen die Säkularisation und die Privatisierung der zahlreichen Gemeinschaftsflächen die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft völlig zu verändern. 65 Prozent der Bauern waren zuvor im Dienst der bayerischen Klöster gewesen. Als 1808 auch noch die Leibeigenschaft aufgehoben wird, stehen die Verhältnisse auf dem Land völlig Kopf. Plötzlich ist Eigeninitiative gefragt, neue Anbaumethoden und Nutzpflanzen müssen her.

König Max Joseph I. genehmigt 1810 deswegen die Gründung des „Landwirthschaftlichen Vereins“ – er soll für die „practische Beförderung der Landwirthschaft“ sorgen. Das „Wochenblatt“ erscheint als erste landwirtschaftliche Zeitschrift Deutschlands. Weil aber ein Großteil der Landbevölkerung nicht Lesen oder Schreiben kann, müssen für diese „Beförderung“ auch andere Wege gegangen werden: Volks- und Bauernkalender liefern kurze Informationen und anschauliche Bilder.

Den größten Erfolg versprechen sich die Vereinsgründer aber von etwas anderem: Sie wollen große Feste mit umfangreichem Informationsprogramm für die Bauern veranstalten. Mit der ganz praktischen Überlegung, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden: Brot durch Spiele. Und so stellt 1811 der Landwirtschaftliche Verein die Organisation für das erste „Oktober-Fest“ mit großem Pferderennen und einer Zuchtviehausstellung auf die Beine. „Die ausgezeichneten Hengste, Zuchtstuten, Zuchtstiere und Kühe, Widder und Schweinsbären wurden der Ordnung nach vorgeführt; die Namen ihrer Besitzer unter Trompetenschall aufgerufen, und den leztern durch die Hand Sr. Excellenz des Herrn Ministers die Preisfahnen ertheilt.“ Mit 23 Hengsten, 29 Zuchtstuten, 22 Stieren, 31 Kühen, 27 Schafböcken und drei Schweinen ist es 1811 die erste Landwirtschaftsausstellung in ganz Deutschland. Ein Viehmarkt, zu dem genau 1206 Stück Vieh aufgetrieben wurde, beendete schließlich den zweiten „freudenvollen Tag“. 1812 bekommt das neu entstandene Volksfest den Namen „Centrallandwirthschaftsfest“.

Wegen des napoleonischen Krieges muss das Fest 1813 ausfallen, doch danach wird die Veranstaltung von Jahr zu Jahr größer. 1818 gibt es das erste Karussell, kleine Wirtsbuden, Schaukeln und eine Fischbraterei. Ab jetzt ist die Wiesn organisatorisch zweigeteilt. Auf der einen Seite das Landwirtschaftsfest, auf der anderen das von der Stadt organisierte Treiben in Buden und Fahrgeschäften. 1901 rattern dann Sonderzüge aus allen Teilen Bayerns Richtung München – so verkünden es zahlreiche Plakate der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen.

Beim letzten ZLF kamen 2016 fast 400.000 Besucher, um Traktoren und Tiere zu sehen

Bayern hat sich in 200 Jahren vom agrarischen Entwicklungsland in einen der stärksten Wirtschaftsstandorte der Welt gewandelt. Es ist eine Entwicklung, die sich auch auf dem ZLF nachvollziehen lässt. Das Landwirtschaftsfest ist von Anfang an ein Umschlagplatz für neue Techniken, Erkenntnisse und Methoden: 1864 wurden der Öffentlichkeit zum Beispiel die Versuche von Justus von Liebig zum Kartoffelanbau präsentiert, 1877 wurde die Sojabohne zum ersten Mal präsentiert. 1913 fand das letzte Pferderennen statt. Als der neu gegründete Bayerische Bauernverband die Veranstaltung 1949 zum ersten Mal nach dem Krieg wieder veranstaltet hat, war zum ersten Mal ein komplett elektrifizierter Bauernhof auf der Theresienwiese zu sehen. 2004 dreht sich alles um erneuerbare Energien und 2008 tuckert ein mit Pflanzenöl betriebener Traktor über das Festgelände.

Heuer sollte vom 19. bis 27. September das ZLF zum 127. Mal stattfinden – und so rund 650 Ausstellern die Möglichkeit gegeben werden, ihre neuesten Entwicklungen zu präsentieren, um Landwirtschaft nachhaltig und effizient zu gestalten. Doch wegen der Corona-Pandemie haben der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München das Oktoberfest sowie das Bayerische Zentral-Landwirtschaftsfest im Jahr 2020 abgesagt. Das nächste ZLF wird deshalb in vier Jahren stattfinden. Wir sehen uns 2024!

Mehr Infos unter www.ZLF.de

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