Gericht stärkt Rechte von Kriegsdienstverweigerern

Soldatinnen und Soldaten, die nach einem erfolgreichen Kriegsdienstverweigerungs-Verfahren die Bundeswehr verlassen, werden normalerweise zur Kasse gebeten. Das betrifft Personen, denen die Bundeswehr ein Studium oder eine Ausbildung finanziert hat. Die Kosten für die dadurch erlangten Vorteile für ihr privates berufliches Leben sollen sie dann zurückzahlen. Hierzu verweist die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) auf ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Halle/Saale.

Die von der Bundeswehr geforderten Beträge seien meist sehr hoch und die Zahlungen würden oft sofort verlangt, so die EAK. Für die Betroffenen wäre dies, nicht zuletzt nach einem oft sehr schwierigen Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, eine weitere Belastung. Drohende hohe Rückzahlungen dienten bereits vor Antragstellung auf Kriegsdienstverweigerung als Abschreckung, diesen Schritt zu gehen, meint der evangelische Friedensverband.

Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) begrüße es deshalb, wenn Gerichte ehemaligen Soldatinnen und Soldaten Recht geben und zu hohe Forderungen und die Rückzahlungsbedingungen in einen realistischen Rahmen brächten. So zuletzt geschehen im September 2019 am Verwaltungsgericht Halle/Saale, wo die Richter eine fehlerhafte Berechnungsgrundlage erkannt hätten und einen neuen Leistungsbescheid für den Betroffenen verlangten.

Trotz rechtskräftigem Urteil verlangt die Bundeswehr noch mehr Geld

Der Kläger in diesem Verfahren war ehemaliger Soldat und anerkannter Kriegsdienstverweigerer, der bei der Bundeswehr ein Studium absolviert hatte, so Rechtsanwalt Steven Selvanayagam von der Kanzlei Korzus und Partner in Bremen, der den Mann juristisch begleitete. Nach dem Studium verließ der Soldat die Bundeswehr vorzeitig nach erfolgreichem Antragsverfahren auf Kriegsdienstverweigerung und wurde im Anschluss durch einen Leistungsbescheid aufgefordert, die entstandenen Studienkosten zurückzuzahlen. Daneben wurden Stundungszinsen für die Ratenzahlung erhoben.

Im Juni 2015 hob das Verwaltungsgericht Halle/Saale den Leistungsbescheid wie auch den Widerspruchsbescheid der Bundeswehr auf. Wie Rechtsanwalt Selvanayagam erläuterte, gehe aus dem Urteil hervor, dass das Personalamt der Bundeswehr eine zu hohe Berechnungsgrundlage verwendete. Stattdessen habe für Studentinnen und Studenten auch in der Bundeswehr der Höchstsatz der Leistung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) als Grundlage der Berechnung zu gelten. Seitens der Bundeswehr sei dieses Urteil anerkannt worden.

Es folgte ein neuer Leistungsbescheid durch die Bundeswehr, in dem nun als Berechnungsgrundlage die Sätze der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes herangezogen worden seien, wodurch der ehemalige Soldat eine Summe zu zahlen hätte, die über der Summe aus dem aufgehobenen Leistungsbescheid gelegen habe. Auch diesen Bescheid hoben die Richter nun auf, betonte die Anwaltskanzlei.

Wieder habe das Verwaltungsgericht Halle/Saale festgestellt, dass der erneute Bescheid der Bundeswehr ebenfalls rechtswidrig sei und den ehemaligen Soldaten in seinen Rechten verletze. Im Kern habe das Verwaltungsgericht daran festgehalten, dass die Berechnungsmethode der Behörde nicht ermessengerecht wäre. Insbesondere könne keine neue und höhere Berechnungsgrundlage herangezogen werden, wenn durch ein rechtskräftiges Urteil bereits auf eine rechtlich korrekte Berechnungsgrundlage verwiesen worden sei, so der Bremer Anwalt Selvanayagam.

Darüber hinaus nahm das Verwaltungsgericht Halle/Saale in seiner Entscheidung auch Bezug auf die zu erwägende Härte von Ratenzahlungen, die zu gewähren gewesen wären. Das Gericht beanstandete hier offensichtliche Fehler, die sich einer objektiven Wertung entziehen würden. Die Zahlung in einer Summe hätte, trotz gegenteiliger Ansicht durch die Bundeswehr, die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen bedroht. „Für betroffene Kriegsdienstverweigerer ist das ein sehr wichtiges und grundlegendes Urteil“, betonte Rechtsanwalt Selvanayagam.

Sich beraten lassen

Das Urteil zeige erneut, wie wichtig es für betroffene Soldatinnen und Soldaten, die einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen, sei, sich umfassend beraten zu lassen, unterstrich die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden. „Wir empfehlen jeder Soldatin und jedem Soldaten, der oder die aus Gewissensgründen das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung wahrnehmen möchte, vorher dazu Gespräche zu suchen.“ Die EAK helfe gerne auch bei der Vermittlung von Kontakten zu Anwaltskanzleien, die sich hier spezialisiert hätten, informierte Maike Rolf, die Referentin für Kriegsdienstverweigerung bei der EAK in Bonn.

Das Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle/Saale vom 24. September 2019 hat das Aktenzeichen 5 A 621/17 HA. Weitere Informationen bei der Anwaltskanzlei Korzus und Partner in Bremen: www.korzus-partner.de

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