Die stressigen Wochen des Examens sind vorbei. Die praktischen, mündlichen und schriftlichen Teile der Abschlussprüfung geschafft – es kehrt etwas Ruhe ein. „All das, was man in den letzten drei Jahren gesehen, erlebt und gehört hat, kommt dabei zurück“, sagt Adis, der in Bosnien und Herzegowina als Installateur, Tischler und IT-Techniker gearbeitet hat. Besonders der Anfang in Deutschland war schwer. Zwar absolvierten sie alle in Bosnien einen mehrwöchigen Sprachkurs, doch auch der half, gerade am Anfang der Ausbildung, nur wenig. Keine vier Tage hatten die Auszubildenden, um sich an die neue Situation zu gewöhnen, bevor sie in Altenpflegeeinrichtungen der Region und der Vogelsberger Pflegeakademie ihre Ausbildung starteten. „Wir mussten bei vielen Dingen unterstützen, haben dabei unterstützt Wohnungen zu finden, Einrichtungen gesucht, die freie Ausbildungsplätze haben, und beim Handyvertrag oder dem Bankkonto geholfen“, sagt Müller. „Der Start in Schule und Einrichtungen war schwer, aber wir haben gesehen, welche Entwicklung die Auszubildenden genommen haben. Sprachlich haben sie sich immer weiter verbessert und auch der Umgang mit den Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen leben, hat immer besser funktioniert“, bilanziert Müller.
Adela hat einen Jura-Abschluss, allerdings sah sie damit in Bosnien und Herzegowina nur wenig Perspektiven: „Ich wollte etwas Anderes probieren, weggehen und in Deutschland eine Ausbildung machen“, sagt sie. Natürlich habe auch sie anfangs gezweifelt, ob der Schritt in ein neues Land der richtige war, doch die Entscheidung sei eine „gute Option“, wie sie sagt. Auch Anes sah in seiner alten Heimat keine Zukunft. Er hat Biotechnologie studiert und als Disponent gearbeitet. Schließlich hat er sich dann für eine Ausbildung zur Altenpflegefachkraft in Deutschland entschieden – eine Ausbildung, die ihm an vielen Orten Türen öffne, wie er anmerkt.
Auch Edin und Majida erhoffen sich mit der abgeschlossenen Ausbildung in Deutschland Besseres. Für Edin stand nach seinem Schulabschluss ein Studium der Elektrotechnik im Raum, doch er entschied sich für Deutschland. Ebenso wie Majida. Sie arbeitete nach ihrem Schulabschluss mit einem wirtschaftlichen Schwerpunkt in einem Supermarkt. Oft zwischen 12 und 16 Stunden am Tag, auch samstags und sonntags. „Irgendwann ging das nicht mehr, ich habe nach Arbeit in Deutschland gesucht, mich um das Visum gekümmert und den Ausbildungsplatz gefunden“, berichtet sie.
Zu Beginn der Ausbildung wurden die Auszubildenden mit anderen Schülern der Klasse zusammengebracht, um den Schulalltag zu erleichtern. „Die Tandem-Pärchen haben gut funktioniert, doch die Anstrengungen, die der Ausbildungsstart mit sich brachte, hat alle Schülerinnen und Schüler spürbar belastet“, sagt der Schulleiter. Allerdings habe die Abschlussprüfung gezeigt, dass seither vieles passiert sei. Sie begegnen den Klienten auf Augenhöhe, mit Bedacht und gingen mit wertschätzender Reflektion ihrer Aufgabe nach, fügt er an.
Die sechs neuen examinierten Fachkräfte sind angekommen – in Deutschland, der Region und der Arbeit mit Menschen. Für sie alle ist klar, dass viele der Ängste und Sorgen sich aufgelöst haben und die Entscheidung eine Ausbildung in der Pflege zu absolvieren, die richtige war. Und sie sind stolz darauf, diese Herausforderung in einem anfangs fremden Land gemeistert zu haben.
„Mittlerweile sind Sie alle ausgebildete und geprüfte Profis – ich habe mit Ihnen allen ein sehr gutes Gefühl und kann sie guten Gewissens verabschieden. Die Menschlichkeit, die Sie mit sich tragen, können Sie nun einbringen, Verantwortung übernehmen und Entscheidungen gemeinsam mit den ihnen anvertrauten Menschen treffen“, sagt Müller an die examinierten Pflegefachkräfte gerichtet.
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