Wenn der Ruhestand zum Neuanfang wird – sieben Frauen, sieben Geschichten und der gemeinsame Weg in eine neue Lebensphase

Kathmandu Nepal
Mittwoch, Okt. 15, 2025
Wenn völlig unterschiedliche Lebensläufe aufeinandertreffen, kann es nur spannend werden. Sieben Frauen aus den verschiedensten Berufen kamen zu dem Seminar „Lebensübergänge resilient bewältigen – Übergang in den (Un-)Ruhestand gestalten“ im Unionshilfswerk zusammen. Geeint hat sie der Wunsch, sich mental auf den eigenen Ruhestand vorzubereiten und Impulse für den neuen Lebensabschnitt zu bekommen. Es ging aber auch um das Verständnis – zum Beispiel des Partners, der bereits im Ruhestand ist, oder von älteren Menschen.
Drei Stunden Workshop hatte Kursleiterin Sabine Weisshaar vorgesehen. Das sei viel zu wenig Zeit, waren sich alle sofort einig. Dennoch bot der Kurs den Raum, offen über die gemischten Gefühle mit Blick auf die neue Lebensphase zu sprechen. Denn so komplex wie das Thema Ruhestand waren auch die im Workshop offenbarten Ängste. Die Frage „Wer bin ich eigentlich, wenn ich nicht mehr arbeite“, stand bei vielen im Fokus. Eng damit verbunden war auch die Frage nach dem Selbstwert, der oft vor allem im beruflichen Kontext genährt wurde.
Einzig Margit, die zuvor für eine Kirche gearbeitet hat, ist bereits in Rente – allerdings unfreiwillig, wie sie betont. Sie will lernen, mit ihrer erzwungenen arbeitsfreien Zeit besser umzugehen. „Mir fehlt die Struktur“, gibt sie unumwunden zu.
Befürchtungen benennen
„Horcht in euch hinein“, ermunterte Kursleiterin Weisshaar die Teilnehmerinnen. „Und benennt eure Befürchtungen so konkret wie möglich.“ Bildkarten halfen den Teilnehmerinnen, ihr emotionales Gefühlsknäuel zu entwirren.
Auf einer Karte ist eine Rutschbahn zu sehen. Eine Teilnehmerin verband damit ihre Ängste, nicht mehr zu einem Team zu gehören, keine berufliche Anerkennung mehr zu erhalten. Es rutsche so vieles weg, umschrieb sie ihre Befürchtungen. Hinzu kämen auch finanzielle Einschränkungen, die zusätzliche Sorgen mit sich brächten.
Eine andere Teilnehmerin fand sich in einem Labyrinth wieder. Sie habe immer Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer genommen, sagte sie. „Jetzt muss ich den Zugang zu mir selbst wiederfinden.“ Über einer anderen Karte stand das Wort Abschied. Eine weitere zeigte eine Stahlkette, mit der die Kursteilnehmerin ihre Angst ausdrückte, im Alter in Abhängigkeit gefangen zu sein – etwa durch Krankheit oder eine Pflegesituation. „Bei fast allen Menschen gibt es Ängste, die sie im beruflichen Stress zurückgestellt haben“, sagte Weisshaar. Deshalb sei es umso wichtiger, darüber zu sprechen.
Immer wieder fiel das Wort Zeit – die verrinnt, die als ungenutzt wahrgenommen wird oder die endlich ist. „Ich habe so viele Pläne und es gibt so viele Möglichkeiten, aber ich nehme sie nicht wahr“, sagte eine Teilnehmerin, die mit ihrem zu früh verstorbenen Partner endlich reisen wollte. Auch Einsamkeit und die Angst davor ist in der Runde ein bestimmendes Thema.
Innerlich auf den Ruhestand einstellen
Für Kursleiterin Sabine Weisshaar beginnt genau dort der zweite und entscheidende Schritt: Wie kann ich mich auf den Ruhestand vorbereiten und bewältige all die ausgesprochenen Ängste? Allgemeingültige Regeln für einen guten Übergang in den Ruhestand gibt es jedoch nicht. Alles hängt von jedem selbst ab.
Zunächst gehe es darum, dass sich jeder innerlich auf den Ruhestand einstelle, sagte Weisshaar. Für den ersten Rententag könne beispielsweise ein konkreter Plan gemacht werden. Viele Menschen hätten im Berufsleben Wünsche zurückgestellt. Diese gelte es zu entdecken. Wie zum Beispiel der Manager, der schon lange ein Handwerk erlernen will oder das Ehepaar, das an gutem Wein interessiert ist und einem Winzer bei der Weinlese helfen könnte. Neu-Ruheständler hätten endlich Zeit, ein Instrument zu lernen, sie könnten einen Sprachkurs machen, ein Seniorenstudium aufnehmen, in einen Sportclub eintreten oder ein Ehrenamt ausüben. Damit werde auch Struktur für den Tag und die Woche geschaffen, vor deren Verlust viele Frisch-Pensionierte Angst hätten, sagte Weisshaar.
Einsamkeitsgefühle nehmen rein statistisch bei älteren Menschen zu. Das sei eine Tatsache und trotzdem lasse sich dagegen eine ganze Menge tun, sagte die Kursleiterin. Als Gegenstrategie empfahl sie, alte Kontakte aufzufrischen, verschüttete Hobbys wiederzuentdecken, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen oder sich ein Haustier zuzulegen.
Am Ende bleibt noch der wichtige Rat, offen mit Schwierigkeiten beim Übergang in den Ruhestand umzugehen. Denn unausgesprochene Probleme lösen sich nicht von selbst. Weisshaar ermunterte die Kursteilnehmerinnen, ihre Sorgen zu äußern, denn nur so bekämen sie Hilfe und Unterstützung.
Unionhilfswerk
Schwiebusser Straße 18
10965 Berlin
Telefon: +49 (30) 42265-6
Telefax: +49 (30) 42265-707
http://www.unionhilfswerk.de/