Schneeräumpflicht: BGH erleichtert Schadensersatz nach Glätteunfällen

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Dienstag, Okt. 7, 2025
Jedes Jahr ereignen sich in Deutschland tausende Stürze auf winterlichen Gehwegen mit teilweise schweren Verletzungen. Die Frage, wer dafür haftet, endet oft vor Gericht. Das neue BGH-Urteil verschiebt die Beweislast zugunsten der Geschädigten und erhöht damit faktisch den Haftungsdruck auf alle Verantwortlichen.
Rechtliche Grundlagen: Die Verkehrssicherungspflicht im Winter
Die Schneeräumpflicht basiert auf der Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGB. Sie verpflichtet Grundstückseigentümer, Gefahrenquellen zu beseitigen – im Winter sind das insbesondere Schnee und Eis auf Gehwegen und Zufahrten. Die konkreten Anforderungen regeln die kommunalen Winterdienstsatzungen, die festlegen, welche Flächen geräumt werden müssen, welche Streumittel zulässig sind und in welchen Zeitfenstern die Verkehrssicherung zu gewährleisten ist.
Typischerweise gilt werktags eine Räumpflicht zwischen 7 und 20 Uhr, an Sonn- und Feiertagen ab 9 Uhr. Bei anhaltendem Schneefall oder Glatteis kann mehrmaliges Räumen erforderlich sein. Entscheidend ist: Die Pflicht besteht unabhängig davon, ob die Arbeiten selbst durchgeführt oder delegiert werden.
Bisher galt eine klare Rechtsprechung: Eine Räum- und Streupflicht besteht nur bei "allgemeiner Glätte", nicht bei vereinzelten Glättestellen. Diese Grundregel bleibt zwar bestehen – doch das neue BGH-Urteil macht es Geschädigten erheblich leichter, das Vorliegen einer solchen allgemeinen Glätte nachzuweisen.
Das BGH-Urteil vom 1. Juli 2025: Weniger Beweishürden für Geschädigte
Im zugrunde liegenden Fall stürzte eine 85-jährige Frau am 8. Februar 2021 auf einem vereisten Gehweg in Gießen und erlitt diverse Verletzungen. Sowohl das Landgericht Gießen als auch das Oberlandesgericht Frankfurt wiesen ihre Klage ab – mit der Begründung, sie habe nicht ausreichend dargelegt, dass zum Unfallzeitpunkt eine "allgemeine Glätte" geherrscht habe. Die Gerichte verlangten detaillierte Ausführungen zur Großwetterlage und meteorologische Gutachten.
Der BGH hob diese Urteile auf und stellte klar: Die Anforderungen an den Beweis einer allgemeinen Glätte dürfen nicht überspannt werden.
In der Begründung heißt es: "Die Anforderungen daran, wann eine allgemeine Glätte anzunehmen ist, bei der gestreut werden muss, dürfen nicht überspannt werden."
Was das konkret bedeutet:
Es genügt, wenn Geschädigte vortragen, dass am Unfalltag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt der Gehweg vereist und spiegelglatt war. Zusätzliche meteorologische Detailanalysen zur Großwetterlage sind nicht erforderlich. Wenn zudem vorgetragen wird, dass benachbarte Grundstücke gestreut waren, stützt dies die Behauptung einer allgemeinen Streupflicht.
Praktische Folge: Eigentümer und Verwalter können sich künftig schwerer darauf berufen, es habe keine allgemeine Glätte vorgelegen. Die Beweislast verschiebt sich faktisch – nicht rechtlich, aber praktisch – zulasten der Verkehrssicherungspflichtigen.
Was bleibt, was ändert sich?
Unverändert bleibt:
Neu durch das BGH-Urteil:
Zusätzliche Klarstellung zum Mitverschulden: Der BGH betonte außerdem, dass die bloße Erkennbarkeit von Glätte kein automatisches Mitverschulden begründet. Nur wenn Geschädigte "sehenden Auges" und mit "schlechthin unverständlicher Sorglosigkeit" handeln, kann ihre Haftung entfallen.
Verantwortlichkeiten: Wer haftet wann?
In der Praxis verteilt sich die Schneeräumpflicht häufig auf mehrere Akteure. Die rechtliche Verantwortung bleibt jedoch eindeutig beim Eigentümer – auch wenn Aufgaben delegiert werden.
Eigentümer tragen die Hauptverantwortung für die Verkehrssicherung. Sie müssen sicherstellen, dass Gehwege vor ihrem Grundstück geräumt und gestreut werden. Wird diese Pflicht an Dritte übertragen, bleibt dennoch eine Kontrollpflicht bestehen. Nach dem neuen BGH-Urteil wird es schwieriger, sich im Schadensfall auf fehlende allgemeine Glätte zu berufen.
Hausverwaltungen organisieren in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) häufig den Winterdienst. Sie beauftragen entweder externe Dienstleister oder koordinieren Räumpläne für Eigentümer und Mieter. Auch hier gilt: Die organisatorische Verantwortung entbindet nicht von der Überwachungspflicht.
Mieter können zur Schneeräumung verpflichtet werden – aber nur, wenn dies ausdrücklich im Mietvertrag oder in der Hausordnung vereinbart ist. Pauschale Klauseln reichen nicht aus; die Regelung muss konkret sein. Wichtig: Auch bei übertragener Räumpflicht bleibt der Eigentümer in der Pflicht zu kontrollieren, ob der Mieter seiner Aufgabe nachkommt.
Externe Dienstleister nehmen den Verantwortlichen Arbeit ab, entbinden sie jedoch nicht vollständig von der Haftung. Wer einen Winterdienst beauftragt, muss dessen Leistung regelmäßig überprüfen. Versäumnisse des Dienstleisters fallen auf den Auftraggeber zurück, wenn keine ausreichende Kontrolle stattgefunden hat.
Risikofaktor: Die fünf häufigsten Fehler
Viele Haftungsfälle entstehen nicht durch vollständige Untätigkeit, sondern durch vermeidbare Versäumnisse. Nach dem neuen BGH-Urteil werden diese Fehler noch teurer:
Das Risiko in Zahlen
Die Dimension des Problems wird durch aktuelle Zahlen deutlich: Das Statistische Bundesamt verzeichnete 2023 rund 26.000 witterungsbedingte Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Krankenhäuser berichten im Winter von bis zu 40 Prozent mehr Sturzverletzungen als im Sommer. Versicherer beziffern die jährlichen Schadensersatzforderungen nach Glätteunfällen auf Millionenbeträge.
Diese Zahlen verdeutlichen: Schneeräumen ist keine Formalie, sondern aktiver Unfallschutz – und ein erheblicher Haftungsfaktor, der durch das neue BGH-Urteil noch an Bedeutung gewonnen hat.
Praxisleitfaden für Hausverwaltungen
Hausverwaltungen stehen vor der besonderen Herausforderung, den Winterdienst für ganze Wohnungsanlagen zu koordinieren. Nach dem BGH-Urteil sind folgende Punkte noch wichtiger:
Neu zu beachten: Dokumentieren Sie nicht nur, ob geräumt wurde, sondern auch die Wetterbedingungen (Temperatur, Niederschlag). Im Streitfall kann dies den entscheidenden Unterschied machen.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Um nach dem neuen BGH-Urteil rechtssicher durch den Winter zu kommen, sollten Verantwortliche folgende Maßnahmen ergreifen:
Vor der Saison:
Während der Saison:
Nach Schadensfällen:
Die richtige Versicherungsabsicherung
Nach dem BGH-Urteil ist der richtige Versicherungsschutz noch entscheidender:
Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht: Schützt Eigentümer vor Schadensersatzansprüchen, wenn jemand auf dem zugehörigen Gehweg stürzt. Diese Versicherung ist für jeden Immobilieneigentümer unverzichtbar. Prüfen Sie die Deckungssummen – Personenschäden können schnell sechsstellige Beträge erreichen.
Private Haftpflichtversicherung: Greift, wenn Mieter vertraglich zur Schneeräumung verpflichtet sind und ihrer Pflicht nicht nachkommen. Mieter sollten ihren Versicherer über die übertragene Räumpflicht informieren.
WEG-Rechtsschutzversicherung: Schützt die Eigentümergemeinschaft bei rechtlichen Auseinandersetzungen mit einzelnen Eigentümern (z.B. bei Pflichtverletzungen) oder mit Dienstleistern (z.B. bei mangelhafter Durchführung des Winterdienstes). Nicht abgedeckt sind Streitigkeiten einzelner Eigentümer gegen die WEG.
Vermögensschadenhaftpflicht für Verwalter: Schützt Hausverwalter vor Haftungsansprüchen, bei Organisationsverschulden – etwa wenn durch mangelnde Kontrolle des Winterdienstes Schäden entstehen.
Die Prüfung des Versicherungsschutzes sollte idealerweise vor Wintereinbruch erfolgen. Bestehende Policen müssen auf Aktualität und ausreichende Deckungssummen geprüft werden.
Checkliste: Winterfest in 10 Schritten
Für Eigentümer und Verwalter:
Fazit: Höhere Haftungsrisiken erfordern mehr Sorgfalt
Das BGH-Urteil vom 1. Juli 2025 ändert nicht die grundsätzlichen Pflichten – aber es verändert die Beweissituation erheblich. Geschädigte müssen künftig weniger detailliert nachweisen, dass eine allgemeine Glätte herrschte. Für Eigentümer, Verwalter und Mieter bedeutet das: Das Risiko, in Haftungsprozessen zu unterliegen, ist gestiegen.
Wer jetzt nicht reagiert, riskiert teure Schadensersatzforderungen. Drei Maßnahmen sind besonders wichtig:
Das neue Urteil macht deutlich: Winterdienst ist keine Nebensache, sondern eine ernsthafte Haftungsfrage. Wer Zuständigkeiten klar regelt, konsequent kontrolliert, lückenlos dokumentiert und ausreichend versichert ist, minimiert sein Risiko erheblich.
Über Klöber Versicherungsmakler
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Das BGH-Urteil auf einen Blick
BGH-Beschluss vom 1. Juli 2025 (Az. VI ZR 357/24)
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