Der für den Verein ehrenamtlich engagierte Coach Dennis Riehle erkennt vielseitige Ursachen für die momentane Entwicklung: "Das Problem scheint zwar einerseits auch der Personalmangel zu sein, andererseits aber vor allem eine sich wandelnde Erwartungshaltung gegenüber Arbeitnehmern. In immer mehr Betrieben kommt es zu mehr Flexibilität und dem Anspruch an Anpassungsfähigkeit an neue Führungsstrukturen, Aufgabenverteilungen und Umstrukturierungen – beispielsweise durch Digitalisierung und Automatisierung. Da werden einige Jobs vielleicht sogar überflüssig, in anderen braucht es eine hohe Bereitschaft zur Weiterbildung und Qualifizierung für neue Techniken und Systeme. Zudem sind wir weiterhin in einer Leistungsgesellschaft verstrickt, obwohl wir eigentlich im 21. Jahrhundert durchaus gelernt haben sollten, dass sich Erfolg und Mitarbeiterzufriedenheit eher an der Qualität statt an der Quantität der Arbeit festmacht. Doch das ist bei vielen Chefs noch nicht angekommen. Wir befinden uns in einem Umbruch, weil immer häufiger unterschiedliche Verständnisse von Beschäftigung aufeinanderprallen. Nicht zuletzt haben wir auch zunehmend Defizite, Privates und Berufliches strikt zu trennen. Natürlich ist nicht zuletzt der Demografische Wandel mit einer einsetzenden Welle an Renteneintritten von erfahrenen Mitarbeitern ein Grund, weshalb Unternehmen unter Druck geraten und deshalb gerade auch jüngeren und neue Kollegen oftmals völlig überzogene Hingabebereitschaft abverlangen", erklärt der 38-jährige Riehle.
Mit dem Angebot der Mailberatung will der BBuD eine Ergänzung und Brückenbauer sein: "Mittlerweile sind wir bei einer mittleren zweistelligen Zahl an Kontakten pro Monat. Zum Vergleich waren es beispielsweise noch am Anfang des Jahres weniger als 15. Auch aus meiner eigenen Selbsthilfegruppe kann ich das durchaus berichten. Dort beantworte ich derzeit drei bis fünf Mails pro Tag. Und es ist durchaus erkennbar, dass die tatsächlich gestiegene Nachfrage erst zeitversetzt eingetreten ist – und sich die Welle eigentlich erst aufgebaut hat, als die Pandemie bereits am Auslaufen war. Letztendlich ist es aber auch nicht wirklich verwunderlich. Denn in krisenhaften Situationen selbst sind wir erst einmal erstarrt und damit beschäftigt, irgendwie auf sie zu reagieren. Das Ausgebranntsein, die Überforderung und die Hilflosigkeit treten meist erst ein, wenn sich das Stressniveau wieder gesenkt hat – und man sich der Folgen bewusstwird, die eine solche Zäsur angerichtet hat. Nachdem wir auch eine anonymisierte Dokumentation über die Inhalte der Beratungen führen, lässt sich relativ gut ablesen, dass sich die Inhalte und Ursachen auf die Depressionen oder ein Burnout zurückgeführt werden, verändert haben. Mittlerweile geht es tatsächlich um mehr oder weniger konkrete Sorgen vor dem Morgen – also um eine generalisierte Furcht über die Frage, wie wir die zahlreichen Herausforderungen als Gesellschaft, insbesondere aber auch als Einzelner, bewerkstelligen werden. Nicht zuletzt verbunden sind damit erhebliche soziale Ängste vor einem wirtschaftlichen Abschwung, vor den Kosten der Transformation, vor einem Wegbruch der Daseinsvorsorge. Früher noch teilte man die Depression noch nach exogener (äußerer) und endogener (innerer) Natur ein. Das ist zwar heute überholt – und dennoch eindrücklich: Gab es lange Zeit für viele psychischen Erkrankungen keine offensichtlichen Auslöser oder Einflussfaktoren, sondern waren nicht wenige Störungsbilder auch allein auf hormonelle, neurobiologische oder genetische Komponenten zurückgeführt worden, sind es mittlerweile doch oftmals gut beschreibbare systemische (familiäre, berufliche, soziale) und für den Einzelnen unbeeinflussbare Beweggründe wie politische und weltweite Krisen, die die Krankheit ausbrechen lassen", so Riehle abschließend.
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Hintergrund: In Deutschland haben bereits drei Prozent der Bevölkerung zumindest einmal im Leben die Diagnose eines
sogenannten „Burnouts“ erhalten. Dieses Syndrom bezeichnet einen Erschöpfungszustand, welcher sich in verschiedenen
Phasen von der Überlastung und Überforderung bis zum mentalen Zusammenbruch äußern kann, vor allem Berufsleben
und soziale Kontakte betrifft und insbesondere psychosomatische Beschwerden auslöst. Hingegen erlitten mindestens fünf
Millionen Deutsche bereits eine ernstzunehmende depressive Episode, die als schwere psychiatrische Erkrankung
anzusehen ist und sich in Perspektivlosigkeit, Freudlosigkeit, Traurigkeit über beträchtliche Körpererscheinungen und
einen massiven Rückzug aus dem persönlichen Umfeld ausdrückt. Beide Krankheitsbilder sind allerdings der
Psychotherapie und medikamentösen Behandlungsansätzen zugänglich. Daneben helfen niederschwellige Maßnahmen
wie Entspannungstraining, Lichttherapie, Selbsthilfemaßnahmen, Sozialberatung oder Coaching.
Der Bundesverband Burnout und Depression e.V. ist eine bundesweite Selbsthilfeorganisation für Menschen mit stressinduzierten Problembildern wie Burnout oder Depression. Seine Mitglieder sind eigens betroffen und wollen ermutigen, selbst aktiv zu werden und für sich und andere Erkrankte Verantwortung zu übernehmen.
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