Je größer eine Industriemaschine, desto schwieriger ist es im Störfall, von außen eine ungewollte Abweichung im Öldruck oder gar ein Leck in einer Leitung festzustellen. Bis durch Fachpersonal die Nadel im Heuhaufen gefunden ist, verstreicht oft viel Zeit. Daraus resultieren Produktionsausfälle und hohe Kosten. Ähnlich verhält es sich mit der Erkennung von Krankheitsursachen beim Menschen. Klagen Patient*innen über Schmerzen im Bauchraum, führt meist kein Weg an einer aufwendigen Magen- oder Darmspiegelung vorbei. In solchen Fällen kann die elektrochemische Impedanzspektroskopie Abhilfe schaffen.
Bei diesem Verfahren wird ein Frequenzspektrum von einer Elektrode durch ein Medium zu einer zweiten Elektrode geschickt: Daraus lässt sich ein Spektrum, also ein bestimmter Fingerabdruck dieses Mediums, ableiten. Werden dabei Veränderungen von Material- oder Flüssigkeitseigenschaften deutlich, kann dies sowohl ein Indiz für die fortschreitende Korrosion eines Bauteils oder auch für das Vorliegen eines bestimmten Krankheitsbilds sein. Bis jetzt waren Impedanzanalysatoren nicht klein und mobil genug, um sie für diese Zwecke einsetzen zu können. Forschende am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin haben daher mit Unterstützung von MST und Sensry einen kompakten und modularen IoT-Sensor für diese Anwendungen entwickelt, der Impedanzen messen und drahtlos übertragen kann. Folglich ist er nicht nur wasserdicht, sondern auch biomedizinisch kompatibel.
Der Sensor besteht aus einem bioverträglichen Polymer und vereint auf gerade mal 11 x 16 Quadratmillimetern die zwei notwendigen Elektroden mit zahlreichen Komponenten für die Analyse von Umgebungseigenschaften, darunter sechs Sensoren für die Messung unterschiedlichster Daten. So kann das kleine Multitalent neben Temperatur, Druck, Luftfeuchtigkeit und Sound in der Umgebung auch das eigene Beschleunigungsverhalten, die Rotation oder Umgebungsgeräusche erfassen. Licht und Farben können von einem integrierten Lichtsensor bestimmt werden.
Konkret gibt man den Sensor bei einem Störfall einer Maschine beispielsweise in eine Ölleitung ein und diese durchfließt dann das ganze System. Drahtlos werden in Echtzeit genaue Daten über die Eigenschaften der Umgebung an eine eigens entwickelte Software mit Webinterface für PC und Smartphone übertragen. Ist eine Stelle erreicht, an welcher der Druck oder das Flüssigkeitsspektrum von der Norm abweichen, ist das ein Indiz für die erfolgreiche Lokalisation der Problemursache. Zur erleichterten Einordnung der erhobenen Daten sind die Spektren einiger Flüssigkeiten, wie Öl oder Wasser, bereits in der Software gespeichert.
Bei der Fertigung des Sensors stellte vor allem die starke Miniaturisierung der Bauteile eine große Herausforderung dar. Insbesondere die Verkleinerung des Spulendurchmessers auf 10 Millimeter für das drahtlose Laden war dabei eine Hürde. Durch ein ausgeklügeltes Systemdesign war es jedoch möglich, diese Herausforderung zu meistern. Zu Beginn des Projekts stellte die Sensry GmbH ihre Schaltpläne und die Firmware Kalisto als Grundlage für die Entwicklung des Sensors zur Verfügung.
Damit insgesamt über 70 passive und aktive Komponenten auf einer flexiblen und biokompatiblen Leiterplatte Platz finden, wurde diese aus einem Flüssigkristallpolymer konzipiert und von DYCONEX, einem Unternehmen der MST, vierlagig gefertigt. Dennoch ist sie gerade einmal 175 Mikrometer dünn und damit kaum dicker als ein menschliches Haar. Ein System-in-Package wurde auf einem sechslagigen Interposer hergestellt und bildet das Kernstück des Sensors, da dort das IoT-System vereint ist. Für den drahtlosen Ladevorgang muss die Kapsel dank einer verbauten Induktionsspule nicht einmal geöffnet werden und kann drahtlos über Qi-Technologie geladen werden. Über eine Dockingstation für die Kalibrierung und Programmierung des Sensors ist aber auch ein klassischer DC-Ladeprozess möglich. Damit die sehr kleinen Komponenten beim Betrieb nicht zu heiß werden, ist der Sensor außerdem mit einem Epoxidharz gefüllt, das die Komponenten voneinander isoliert und die Wärme nach außen abführt. Am unteren Ende schließt sie mit einer 0,5 Millimeter dünnen vierlagigen Keramikplatte ab, welche von der Micro Systems Engineering GmbH, einem Unternehmen der MST, hergestellt wurde und auf welcher neben dem Drucksensor die Elektroden für die Impedanzspektroskopie montiert sind. Als Messedemonstrator zeigt der IoT-Sensor auf, wie durch intelligentes Systemdesign und Halbleiterpackaging Elektronik stark miniaturisiert werden kann, ohne Funktionalität zu verlieren.
Die Forschung zur elektrochemischen Impedanzspektroskopie ist in vollem Gange und die Möglichkeiten für die Medizintechnik sind bei Weitem noch nicht ausgereizt.
Das Projekt läuft seit 01.04.2021.
(Text: Niklas Goll)
Das Fraunhofer IZM ist weltweit führend bei der Entwicklung und Zuverlässigkeitsbewertung von Technologien für die Aufbau- und Verbindungstechnik von zukünftiger Elektronik. Hierdurch entstehen Eigenschaften, die bislang eher untypisch für Mikroelektronik sind: zum Beispiel wird sie dehn- oder waschbar, hochtemperaturbeständig oder extrem formangepasst. Die Forschenden des Fraunhofer IZM setzen dabei ebenso Maßstäbe für die Umweltverträglichkeit von Elektronik.
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