In vielen aktuellen Konflikten fehlt Gaucks Ansicht nach das, „was wir in Deutschland – mühsam, aber mit Überzeugung – versucht haben: die Anerkennung des erlittenen Unrechts, das Gespräch zwischen Opfern und Tätern, die Bereitschaft, Schuld nicht zu relativieren.“ Gauck machte als erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen nach der Wende die schriftlichen Hinterlassenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der Öffentlichkeit zugänglich.
„Ich habe erlebt, was es bedeutet, in einer Gesellschaft zu leben, in der Wahrheit unterdrückt und Schuld verschwiegen wurde“, sagt der ehemalige Bundespräsident, dessen auch persönliche Familiengeschichte von dieser Erfahrung geprägt war. „Ein echter, tragfähiger Frieden kann nur entstehen, wenn wir uns der Vergangenheit stellen“, bilanziert der 85-Jährige.
Transparenz und Aufarbeitung sind für Gauck keine Luxusgüter für stabile Demokratien, sondern deren Voraussetzungen. „Wer Verantwortung für Unrecht übernimmt und die Opfer hört, legt das Fundament für Vertrauen und eine Zukunft ohne Angst“, sagt Gauck. Neben unabhängig agierenden Institutionen und einer politischen Führung, die Verantwortung nicht scheut, braucht es Gaucks Einschätzung nach auch eine Gesellschaft, die sich unbequemen Wahrheiten stellt. „Der Weg zur Versöhnung beginnt mit der Anerkennung des Leids der anderen“, sagt Gauck. „Es braucht Mut – bei den Tätern wie bei den Opfern.“ Eine lebendige Demokratie wachse nicht im Verdrängen, sondern im Erinnern. Der Blick dürfe aber nicht nur zurück gerichtet sein, sondern müsse auch Zukunft ermöglichen.
Die autorisierten Zitate von Bundespräsident a.D. Joachim Gauck:
Ludwig-Erhard-Gipfel: Welche Bedeutung haben Transparenz und Aufarbeitung für die Erlangung von Frieden?
Joachim Gauck: Ich habe erlebt, was es bedeutet, in einer Gesellschaft zu leben, in der Wahrheit unterdrückt und Schuld verschwiegen wurde. Ein echter, tragfähiger Frieden kann nur entstehen, wenn wir uns der Vergangenheit stellen. Transparenz und Aufarbeitung sind keine Luxusgüter für stabile Demokratien, sondern Voraussetzungen für ihre Entstehung. Wer Verantwortung für Unrecht übernimmt und die Opfer hört, der legt das Fundament für Vertrauen und für eine Zukunft ohne Angst.
Was sind dabei wichtige Gelingensfaktoren?
Der Weg zur Versöhnung beginnt mit der Anerkennung des Leids der anderen. Es braucht Mut – bei den Tätern wie bei den Opfern. Notwendig sind zudem Institutionen, die unabhängig agieren, sowie eine Gesellschaft, die bereit ist, sich unbequemen Wahrheiten zu stellen. Und es braucht politische Führung, die Verantwortung nicht scheut. Eine lebendige Demokratie wächst nicht im Verdrängen, sondern im Erinnern. Diese Art von Erinnerung darf nicht nur den Blick zurück richten, sondern muss Zukunft ermöglichen.
Woran fehlt es derzeit Ihrer Einschätzung nach mit Blick auf aktuelle Kriege und Krisenherde am meisten?
In vielen aktuellen Konflikten fehlt das, was wir in Deutschland – mühsam, aber mit Überzeugung – versucht haben: die Anerkennung des erlittenen Unrechts, das Gespräch zwischen Opfern und Tätern, die Bereitschaft, Schuld nicht zu relativieren. Stattdessen sehen wir, wie im Falle Russlands, das bewusste Verdrehen von Geschichte, die Instrumentalisierung von Erinnerung und das Leugnen von Verbrechen. Ohne Wahrhaftigkeit bleibt jede Friedensrhetorik hohl. Wer keinen Weg zur Wahrheit sucht, dem bleibt der Weg zum Frieden verschlossen.
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