Die Chemie muss stimmen: Politik muss Umwelt und Ressourcen schützen

  • Chemieindustrie größter Verbraucher von Öl und Gas
  • Chemiewende bedeutet nachhaltige Chemikalien und Ressourcenschutz 
  • REACH-Revision, Ressourcenschutzgesetz und Dialog aller Akteure nötig

Anlässlich des heutigen Treffens von Bundeskanzler Olaf Scholz mit Vertreter*innen der Chemieindustrie zur Zukunft der Branche fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Chemiewende. Um Innovation in die richtige Richtung zu lenken, braucht es gesetzliche Anreize zur Umstellung auf nachhaltige, sichere Chemikalien. Solche Anreize sind auch zur Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauches nötig. Der BUND fordert dafür eine ambitionierte Reform der EU-Chemikaliengesetzgebung REACH und ein Ressourcenschutzgesetz.

Die Industrie beklagte zuletzt öffentlich Produktionsrückgänge und Überregulierung. Dabei erreichten ihre Umsätze im letzten Jahr ein Rekordhoch. Seit 2009 verzeichnete der Sektor einen Anstieg um 80 Prozent. Produktionsschwankungen in der Industrie sind durchaus üblich. 

Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin: „Die Chemieindustrie drängt beim Kanzler auf subventionierten Strom. Dabei besteht die eigentliche Herausforderung darin, die Branche nachhaltig auszurichten und den Energie- und Ressourcenverbrauch drastisch zu senken. Wir brauchen eine echte Chemiewende. Die Branche muss endlich nachhaltige Produkte entwickeln, die sich nicht langlebig in der Umwelt anreichern. Wir müssen auch darüber sprechen, welche Art von Produktion wirklich nötig ist. Die Chemieindustrie setzt Ressourcen für fragwürdige Produkte wie Einwegverpackungen und PFAS ein. Ein ‚Weiter so‘ ist keine Option.“

Der Energiehunger der Branche ist enorm: Ab 2030 bräuchte die Chemieindustrie laut dem Verband der chemischen Industrie (VCI) mehr erneuerbare Energien, als die Bundesregierung für ganz Deutschland einplant (über 600 Terawattstunden). Eine aktuelle Studie des BUND zeigt, dass allein 20 Prozent der Energie der Chemieindustrie zur Zeit noch in fossile Plastikverpackungen fließt.

Von Broock: „Die Chemieindustrie in Deutschland muss aufpassen, dass sie die Transformation nicht verschläft. Aufgabe der Politik ist es, dafür die Weichen zu stellen und einen gesellschaftlichen Austausch anzustoßen. Für eine Chemiewende gehören alle Akteure an den Tisch, auch die Zivilgesellschaft.“

Hintergrund:

Die Chemieindustrie hat auf das Treffen im Bundeskanzleramt gedrängt, weil die Produktion zurückgegangen sei. Dabei erreichten die Umsätze der deutschen Chemieindustrie im letzten Jahr ein Rekordhoch mit plus 15 Prozent, nachdem sie im Jahr 2021 bereits um 19,2 Prozent gestiegen waren. Seit dem Jahr 2009 sind die Umsätze der deutschen Chemieindustrie um 80 Prozent gestiegen (Destatis, VCI). Auch Produktionsschwankungen sind in der Chemieindustrie durchaus üblich, wie die Daten von Destatis zeigen. Laut Eurostat erreichte die abgesetzte EU Chemikalienproduktion in 2022 ein Jahrzehnthoch. 

Die chemische Industrie ist weltweit für die Verschmutzung unseres Planeten verantwortlich. Wissenschaftler warnen, dass die planetare Grenze für neue Substanzen, zu denen Mikroplastik und die Ewigkeitschemikalien PFAS gehören, längst überschritten ist. Eine am 20. September 2023 vom BUND veröffentlichte Studie zur Chemieindustrie zeigt: Die Chemieindustrie ist der größte Verbraucher von Öl und Gas in Deutschland. Nicht nur für Energie, sondern insbesondere als Rohstoff für Produkte wie Plastik verschwendet die Chemieindustrie Unmengen an fossilen Ressourcen. 

Neben der Produktion von den Ewigkeitschemikalien PFAS und Einwegverpackungen, exportiert die Industrie weiterhin in der EU bereits verbotene Chemikalien ins Ausland und ist damit verantwortlich für zahlreiche Gesundheits- und Umweltprobleme weltweit. Der dringend notwendige Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Verbesserung der zentralen europäischen Chemikaliengesetzgebung REACH wurde aufgrund der Lobbyaktivitäten der Industrie bereits um ein Jahr verschoben und wird nun zu Ende dieses Jahres erwartet.

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