Zur geplanten Novelle des Bundeswaldgesetzes: „Wir brauchen ökologische Mindestanforderungen als gute forstliche Praxis“

Die Bundesregierung will das Bundeswaldgesetz noch in dieser Legislaturperiode umsetzen und im Frühjahr 2024 eine Novelle ins Kabinett bringen. Derzeit wertet das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium mehr als 50 Stellungnahmen aus den Ländern und von Verbänden aus. Auf dieser Basis wird dann der Referentenentwurf erarbeitet – und mit anderen betroffenen Bundesressorts sowie den Ländern abgestimmt, vermeldet das Bundeslandwirtschaftsministerium. Der Umweltjurist Prof. Dr. Wolfgang Köck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Vorstandsmitglied des Deutschen Naturschutzrechtstags und Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen, erklärt, wie eine umweltgerechte Reform des Waldgesetzes aussehen sollte.

Herr Köck, was spricht aus Ihrer Sicht für eine Novelle?

Die Novelle ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zu begrüßen: Das Bundeswaldgesetz stammt aus dem Jahr 1975 und wurde bislang immer nur punktuell novelliert. Es entspricht in wesentlichen Teilen einem bloßen Rahmengesetz – eine Gesetzgebungsart, die auf eine weitere gesetzliche Konkretisierung durch die Länder angewiesen ist und mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 abgeschafft wurde. Mit der Gesetzesnovelle kann der Bund unmittelbar vollzugsfähige Regeln setzen.

Zum anderen ist eine Reform des Bundeswaldgesetzes aus inhaltlichen Gründen dringend erforderlich, weil der Schutz der Biodiversität und des Klimas sowie die Anpassung an den Klimawandel bisher nur unzureichend geregelt sind.  Besonders offensichtlich ist, dass die vorherrschenden Waldstrukturen mit dem Klimawandel nicht gut zurechtkommen. Ein Umbauprozess muss stattfinden, und das Gesetz muss hierzu Vorgaben machen, damit die Wälder robuster und resilienter werden. Bislang hatte sich die Politik damit zufriedengegeben, Programme zur Förderung der Wiederaufforstung von Waldflächen aufzulegen, die infolge des Klimawandels geschädigt sind. Es geht aber darum, den Umbau der Wälder umfassend zu organisieren und dabei Klimaschutz, Klimaanpassung und Sicherung der Biodiversität zusammen zu denken. 

An welchen Stellen muss das Gesetz dringend geändert werden? 

Das Gesetz muss an vielen Stellen modifiziert werden. Wichtig ist beispielsweise, schon die Zweckbestimmungen am Anfang des Gesetzes inhaltlich zu ergänzen und prägnanter zu fassen, denn diese haben eine Bedeutung für die Interpretation der einzelnen Regelungen des Gesetzes. Die Sicherung der Biodiversität und die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel werden bislang nicht ausdrücklich erwähnt. Hier gilt es nachzusteuern. Essenziell ist auch, bei den Pflichten der Waldbewirtschaftung nachzujustieren. Bislang gibt sich der Gesetzgeber mit einer ordnungsgemäßen Waldwirtschaft zufrieden. Das Wort "nachhaltig" wird zwar genannt, aber belastbar nur in dem Sinne, dass abgeholzte Wälder in einer angemessenen Frist wieder aufgeforstet werden müssen. Das reicht nicht aus.

Was bräuchte es stattdessen?

Wir brauchen konkrete Bewirtschaftungspflichten, die eine gute forstliche Praxis ausmachen. Dies sind obligatorische ökologische Mindestanforderungen, die die bisherigen Anforderungen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung ersetzen sollen. Dazu zählen zum Beispiel ein weitgehendes Verbot des Kahlschlags ab einer Waldfläche von 0,3 Hektar, eine grundsätzlich selektive Holznutzung in Form einer Einzelbaumentnahme oder gruppenweiser Nutzung, mehr Totholz im Wald sowie ein Verbot von Herbiziden, Fungiziden, Insektiziden und der Düngung, sofern es keine behördliche Ausnahmen gibt. Zudem müsste das Gesetz den Waldboden besser schützen. Es bräuchte neue Bestimmungen, um etwa die Schäden durch Forstmaschinen zu begrenzen oder das Befahren der Waldbodenflächen zu reglementieren.

Was müsste beachtet werden bei der Naturverjüngung?

Bei der Naturverjüngung sollten die Standards des Forest Stewardship Council (FSC) die Regel sein. Demnach sollten die Waldbesitzer verpflichtet sein, zur Transformation nicht-standortgerechter Bestände eine natürliche Waldverjüngung rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Diese hat Vorrang, sofern klimaresiliente, überwiegend standortheimische Hauptbaumarten auf natürlichem Wege eingetragen werden und anwachsen. Ist das nicht möglich, sollten möglichst standortheimische Baumarten angepflanzt werden.  

Waldbesitzer werden sich gegen die Mindestanforderungen der guten forstlichen Praxis wehren, auch weil sie höhere Kosten und geringere Einnahmen fürchten. Sind neue Förderprogramme notwendig?

Da muss man erst mal unterscheiden: Insgesamt 52 Prozent des Waldes sind im Eigentum der Länder, des Bundes und von Körperschaften, insbesondere Gemeinden. Für diese Wälder gelten zwar auch die üblichen betriebswirtschaftlichen Erwartungen, keine Verluste zu schreiben, allerdings sollte man für Wälder in öffentlicher Hand deren Vorbildwirkung betonen und rechtlich verankern: Es geht bei der Pflege und dem Aufbau klimaresilienter Wälder um das Gemeinwohl. Da muss erwartet werden, dass sich Bund und Länder vorbildlich verhalten und die Mehrausgaben über die Haushalte finanzieren. Für diesen Teil der Wälder bedarf es also keiner besonderen Förderprogramme, sondern schlicht der Wahrnehmung staatlicher bzw. öffentlicher Verantwortung.

Aber immerhin 48 Prozent des Waldes sind in Privatbesitz. 

Natürlich müssen auch Privatwaldbesitzer die gute fachliche Praxis einhalten. Dort, wo darüber hinaus ökologische Leistungen erbracht werden, von denen die Gesellschaft profitiert, sollte auch etwas an die privaten Waldbesitzer zurückfließen. Förderungen werden zudem für besondere Umbaulasten benötigt: Tragen die Privateigentümer beim klimaresilienten Umbau ihrer Wälder besondere finanzielle Lasten, müssen diese temporär abgefedert werden. Das ist aber keine Dauerförderung, sondern sollte in einer bestimmten Umstellungszeit abgeschlossen sein.  Danach darf erwartet werden, dass sich die privaten Waldbesitzer darauf eingestellt haben.

Welche ökologischen Zusatzleistungen sollten honoriert und wie sollte deren Umsetzung kontrolliert werden?

Bei der Honorierung der Ökosystemleistungen könnte man zunächst an Waldflächen denken, die zum Natura 2000-Netz der EU gehören. Bei diesen Flächen stehen ohnehin der Erhalt bzw. die Weiterentwicklung bestimmter Habitattypen und Arten im Vordergrund. Daher sind hier auch besondere Rücksichtnahmen geboten, die ökologisch zu honorieren sind. Waldflächen, die keinen besonderen Schutzstatus haben, können ebenfalls in besondere Honorierungsprogramme einbezogen werden. Sind Eigentümer auf diesen Flächen bereit, besondere Entwicklungs- und Schutzmaßnahmen zur Sicherung der heimischen Biodiversität durchzuführen und zu unterstützen, könnten sie besondere Förderungen erhalten. Zuständig für die Kontrolle wären in erster Linie die Forstbehörden, doch ist es sinnvoll, die Naturschutzbehörden hier einzubeziehen. Kontrollkapazitäten sind stets knapp, aber bei ökologischen Leistungen, die honoriert werden, sollte sich der Kontrollaufwand in Grenzen halten. Durch die Nutzung innovativer Ansätze wie der Digitalisierung und der Fernerkundung lässt sich die Überwachung möglicherweise vereinfachen.

Ist die Novelle des Bundeswaldgesetzes für Sie ein Paradigmenwechsel in der Waldbewirtschaftung oder droht nicht eher eine Verwässerung aufgrund des starken Einflusses der Waldbesitzer?

Ein Referentenentwurf aus dem für den Wald zuständigen Landwirtschaftsministerium liegt gegenwärtig noch nicht vor.  Insofern lässt sich die Frage noch nicht beantworten, aber der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien spricht mit Blick auf das Waldgesetz wichtige Themen wie den Schutz und die Verbesserung der Biodiversität, den Waldumbau und den Klimaschutz konkret an. Ich erwarte deshalb, dass die geplante Novelle nicht nur kosmetisch oder monothematisch daherkommt, sondern substanzielle Weichenstellungen enthalten wird. Der Wald und die Forstwirtschaft sind wichtige Bausteine für die Sicherung der Biodiversität und für den Klimaschutz.

Über Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

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