Mauerseglerdrama

Zu Fällen von Naturschutzkriminalität zählen nicht nur vergiftete oder erschossene Wildtiere wie Greifvögel oder Luchse. Auch die Zerstörung von Nestern, die Störung von Bruten und das Töten der Jungtiere aller heimischen Vogel- und Fledermausarten sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz Straftaten. „Vor allem bei älteren Gebäuden werden bei Sanierungen oder Abriss bestehende Nester von Gebäudebrütern oder Nischen und Ritzen für Fledermäuse verschlossen oder zerstört“, sagt Dr. Andreas von Lindeiner, LBV-Landesfachbeauftragter für Naturschutz. So aktuell geschehen in Mallersdorf im Landkreis Straubing-Bogen. Beim Abriss eines Gebäudeteils und dem Entfernen von Dämmplatten an einem Zweiten sind zahlreiche noch nicht flügge Mauersegler aus den Nestern gestürzt und unter Schutt begraben worden. Der engagierte Einsatz der ehrenamtlichen LBV-Aktiven vor Ort erwirkte einen Baustopp, so dass die verbleibenden Mauersegler und Spatzen ihre Brut in Ruhe beenden können. Da die Zerstörung von Brutstätten und die Tötung geschützter Vogelarten eine Straftat darstellt, haben die Naturschützer*innen Strafanzeige gestellt.

Vergangenen Dienstag wurde Bettina Schröfl, 1. Vorsitzende der LBV-Kreisgruppe Straubing-Bogen, zu einer Baustelle gerufen, nachdem Anwohner beobachteten, wie etwa 50 Mauersegler über der Abbruchstelle in der Luft kreisten und versuchten, die Jungvögel zu retten, die zahlreich zu Boden fielen und anschließend im Schutt begraben wurden. „Es ist absolut unverständlich, wie die Tiere von Abbruchfirma und Bauleitung einfach ignoriert und mit den Bauarbeiten fortgefahren wurde. Ein behördlich angeordneter Baustopp war deshalb zwingend und mit sofortiger Wirkung notwendig, um die noch verbleibenden besetzten Nester zu schützen“, so Bettina Schröfl. Das Unverständnis ist umso größer, da die Mauersegler in etwa zwei Wochen ihr Brutgebiet bereits wieder in Richtung Afrika verlassen und der nun entstandene Konflikt leicht hätte vermieden werden können.

„Grundsätzlich ist jeder Bauende dazu verpflichtet, die Einhaltung des Artenschutzes im Zuge von Abbruch- oder Bauarbeiten einzuhalten. Es ist die Pflicht der Verantwortlichen sich vorab zu erkundigen, ob ein möglicher Konflikt auf der Baustelle droht. Leider ist das wohl den wenigsten Architekten, Baufirmen oder Hauseigentümern bekannt“, erklärt Andreas von Lindeiner. Gebäudebrütende Vogelarten wie der Mauersegler und Fledermäuse sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz §44 Abs. 1 besonders oder sogar streng geschützt, ebenso wie ihre Nist- und Zufluchtsstätten an Gebäuden. Die Zerstörung der Quartiere oder Veränderungen daran sind zu jeder Jahreszeit untersagt. Den Tieren darf auch der Zugang zu ihren Nist- und Schlafplätzen nicht versperrt werden, beispielsweise durch Staubnetze oder Baugerüste. Sind Bauarbeiten notwendig, kann die Höhere Naturschutzbehörde Ausnahmen zulassen. Voraussetzung dafür ist, dass die Maßnahmen mit den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Nester nicht mehr besetzt sind und wenn anschließend ein Ersatz für die zerstörten Nistplätze geschaffen wird.

Positives Beispiel München

Der LBV kartiert bayernweit Brutplätze von Gebäudebrütern und sammelt sie in einer Datenbank. Die Daten werden den Bau- und Naturschutzbehörden auf Anfrage zur Verfügung gestellt. Besonders gut funktioniert dieses Melde- und Informationssystem in München, wo bereits beim Antrag auf Baugenehmigung ein behördlicher Hinweis zur Einhaltung des Artenschutzes erfolgt, wenn am entsprechenden Gebäude geschützte Arten kartiert sind. Die Antragsteller werden dann aufgefordert, sich beim LBV in München zum Schutz der entsprechenden Tierarten beraten zu lassen. Gemeinsam mit den Architekten und Hausbesitzern wird dann ein Maßnahmenkatalog zum Schutz der Tiere ausgearbeitet. Der LBV unterstützt die Bauenden auch bei Anträgen auf Ausnahmegenehmigungen und Ersatzmaßnahmen, die in der Regel bei Veränderungen an den Quartieren geschützter Gebäudebrüterarten  Voraussetzung für die Durchführung der Baumaßnahme sind.

Auch außerhalb von München bietet der LBV in seinen regionalen Geschäftsstellen Beratung und Information zu den potenziell betroffenen Arten und geltenden Schutzbestimmungen für Bauträger und Architekten an.

Gemeinsames Projekt: „Naturschutzkriminalität dokumentieren und stoppen!“

Ein Großteil der Fälle von Naturschutzkriminalität bleibt ungeklärt und für die Täter folgenlos, was sich dringend ändern muss. LBV und GLUS starten deshalb 2019 das gemeinsame Projekt „Naturschutzkriminalität dokumentieren und stoppen!“. In einer bayernweiten Datenbank sollen alle (Verdachts-)Fälle von Naturschutzkriminalität gespeichert werden. Als erste Anlaufstelle für betroffene Behörden und die Öffentlichkeit soll die Datenbank fachliche Unterstützung bieten und als Melde- und Informationsplattform dienen. Mit ihrer Hilfe soll außerdem die langfristige Weiterverfolgung einzelner Fälle sichergestellt werden. Mit dem Projekt soll auch die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und Fortbildungsangebote bereitgestellt werden. Projektleiter und Ansprechpartner sind die Biologen Franziska Baur (GLUS) und Dr. Andreas von Lindeiner (LBV).

Fälle illegaler Verfolgung von Vögeln dokumentiert der LBV seit diesem Jahr im Auftrag des LfU/staatliche Vogelschutzwarte.

Weitere Informationen:

Mehr Infos zum Thema „Naturschutzkriminalität“ und eine Checkliste zum richtigen Verhalten bei einem Totfund mit Verdacht auf illegale Tötung können auf der Seite www.tatort-natur.de heruntergeladen werden. Dort können auch Fälle oder Verdachtsfälle von Naturschutzkriminalität gemeldet werden.

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