Der Sitz-Riese

Wasserdampf ist die zentrale Antriebskraft der frühen Industrialisierung. Dampfloks befördern Waren und Menschen, Dampfmaschinen bringen Webstühle, Boote und Mühlen in Bewegung. Dampf wird dank des am 2. Juli 1796 geborenen Schreiners und Erfinders Michael Thonet auch zum entscheidenden Faktor für die ersten industriell gefertigten Möbelstücke. Der Pionier erfindet Mitte des 19. Jahrhunderts ein Verfahren, mit dem sich massive Rundstäbe aus Buchenholz zu grazilen, geschwungenen Formen biegen lassen, und stellt so seine berühmten Kaffeehausmöbel her.

1819: Bopparder Biegekunst

Als Michael Thonet 1819 die Werkstatt seines Vaters in Boppard am malerischen Mittelrhein übernimmt, könnte ihm eine Karriere als achtbarer Schreinermeister bevorstehen. Aber das genügt dem gerade mal 23-Jährigen nicht. Er beginnt mit Furnierstreifen zu experimentieren, die er in Leim kocht und zu schwungvoll geformten Teilen aus Schichtholz verklebt. Durch das von ihm entwickelte Verfahren gelingt es Thonet schließlich, mit seinen neuartigen „Bopparder Schlaufenfüßen“ den klassischen Sesseln des Spätbiedermeiers neuen Schwung zu verleihen.

Als er 1841 seine neuen Kreationen im Koblenzer Gewerbeverein präsentiert, wird kein Geringerer als Österreichs Außenminister Clemens Fürst von Metternich auf sein Talent aufmerksam. Der Aristokrat, Chefdiplomat des Wiener Kongresses und der wohl einflussreichste Politiker seiner Zeit, ist ebenfalls gebürtiger Rheinländer und bittet Thonet zur Präsentation auf sein Schloss. „In Boppard werden Sie immer ein armer Mann bleiben. Kommen Sie nach Wien“, soll Metternich dem Schreiner geraten haben. Tatsächlich trifft der gewiefte Politiker bei Thonet einen Nerv. Denn schon lange machen ihm die immer zahlreicher werdenden Nachahmer seiner Ideen zu schaffen. Ein Patent auf seine Ideen wird ihm verwehrt und die Geschäfte laufen schlecht. Ein Jahr nach seinem Zusammentreffen mit Metternich reist Thonet nach Wien. Nach Boppard kehrt er nie wieder zurück.

1849: Erfolg im Kaffeehaus

In der österreichischen Hauptstadt wird er von Metternich herzlich empfangen und protegiert. Dieser spreche, so Thonet in einem Brief, „mit solcher Begeisterung von unseren Sachen, dass er fast niemand zu Worte kommen ließ.“ Auch zum Kaiser wird Kontakt hergestellt. Nur wenige Wochen nach seiner Ankunft erhält Thonet schließlich das ersehnte Patent, „jede, selbst die sprödeste Gattung Holz auf chemisch-mechanischem Wege in beliebige Formen und Schweifungen zu biegen“. Zunächst sucht der Neuling nach Kontakten und Kooperationen, denn es ist ihm verwehrt, eine eigene Firma zu gründen. Nach sieben Jahren macht er sich dann doch selbständig, holt die Familie nach und produziert erfolgreich eigene Möbel. Von Anna Daum, der Besitzerin des Wiener Kaffeehauses Daum, geht der erste Großauftrag für Bugholzmöbel bei dem jungen Unternehmen ein. Thonet spürt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Die Kaffeehäuser werden immer beliebter und auch immer prächtiger in ihrer Ausstattung. Der nächste große Erfolg lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Von der legendären Londoner Weltausstellung im Crystal Palace, auf der er eine Kollektion seiner noch sehr handwerklich geprägten Bugholzmöbel zeigen darf, kehrt er 1851 mit einer Bronzemedaille und vollen Auftragsbüchern nach Wien zurück.

Von nun an nimmt die Entwicklung des Unternehmens an Fahrt auf. Am 1. November 1853 überträgt Michael Thonet die Firma auf seine fünf Söhne und führt sie gemeinsam mit seinem Nachwuchs unter dem Namen „Gebrüder Thonet“ weiter. Die neue Inhaberkonstellation bringt die Firma voran und erste Aufträge aus Übersee gehen ein. Da die schichtverleimten Möbelstücke in tropischem Klima einer erhöhten Luftfeuchtigkeit ausgesetzt sind, gehen einige sprichwörtlich „aus dem Leim“.

Ein Ansporn für Thonet. Nach zahlreichen Experimenten glückt 1856 der Versuch, massive Hölzer ohne Verleimung zu verarbeiten. Lange Rundstäbe aus Buchenholz werden unter dem Einfluss von Wasserdampf in Form gebogen. Dieses geniale und effiziente Verfahren lässt sich Thonet umgehend patentieren und damit beginnt der industrielle Durchbruch der Firma. Die erste Fabrik in Koritschan in Südostmähren wird gebaut, kurz darauf folgen weitere Produktionsstätten in buchenreichen Waldregionen der Habsburger Monarchie. Thonet plant dabei gleich den Personalzuwachs ein: Auf dem Werksgelände entstehen regelrechte Dörfer mit der zugehörigen Infrastruktur für Arbeiter, Angestellte und deren Angehörige.

1859: Das Prinzip Thonet führt zum Welterfolg

Im Jahr 1859 kommt das erfolgreichste Möbelstück der Firmengeschichte auf den Markt, der Stuhl Nr. 14. Der Stuhl besteht aus nur sechs Einzelteilen und ist perfekt auf eine schnelle industrielle Fertigung zugeschnitten, die auf dem Patent für das Biegen von Massivholz aus dem Jahr 1856 basiert. Mit der für Thonet typischen, geschwungenen Lehne und der runden Sitzfläche aus Rohrgeflecht ist der neue Nr. 14 nicht nur schön, sondern auch sehr günstig. Er kostet zum Zeitpunkt seiner Entstehung gerade mal drei Gulden, so viel wie 36 Eier oder eine Flasche guter Rotwein. Auch in Sachen Logistik erweist sich Michael Thonet als Visionär: In der Hochzeit von Dampfschiff und Eisenbahn lässt er seine Stühle in Einzelteile zerlegt in großen Seekisten versenden: 36 Stühle haben in einem Kubikmeter Platz und können ganz ohne Leim vor Ort zusammengeschraubt werden: Fertig ist der „Thonet-Exportsessel“ von Welt, dem kein feuchtes Klima mehr etwas anhaben kann! Die logistische Meisterleistung, die weltweiten Verkaufsniederlassungen in großen Metropolen und die zu seiner Zeit innovativen Verkaufskataloge bescheren Thonet internationalen Erfolg.

Als der Patriarch am 3. März 1871 stirbt, hinterlässt er ein erfolgreiches, stabiles Firmennetzwerk mit Fabriken und Niederlassungen in ganz Europa. Der Stuhl Nr. 14 erweist sich über den Tod des Firmengründers hinaus als Prototyp nachhaltigen Designs: nachwachsender Rohstoff, auf minimalen Verbrauch reduziert, leicht zu reparieren. Bis heute werden die Stühle über Generationen hinweg und mit Stolz vererbt. Nicht ohne Grund wurde der 214 (ehemals Nr. 14) 2021 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design ausgezeichnet.

Vom Bauhaus bis in die Gegenwart

Die von Michael Thonet gelegte Saat – sein revolutionäres Bugholzverfahren und das innovative Baukasten-Prinzip – geht nach seinem Tod weiter auf. Seine Söhne entwickeln „Gebrüder Thonet“ zum einem frühen Global Player mit Filialen und Verkaufsbüros in New York, Ottawa und Moskau. Das Werk in Frankenberg, das 1889 eröffnet wird, übersteht die beiden Weltkriege und ist noch heute in Familienbesitz: In sechster Generation fungieren Vertreter der Familie Thonet als Gesellschafter des Unternehmens.

Die schlichten und funktionalen Entwürfe des Firmengründers prägen bis heute die DNA der Firma. Mehr noch: Längst gelten sie als Ursprung des modernen Industriedesigns. Mit dem Aufkommen der Stahlrohrmöbel im Bauhaus-Zeitalter verzeichnet das Unternehmen einen weiteren schwunghaften Aufstieg. Mart Stams S 33, der erste Freischwinger der Möbelgeschichte, Mies van der Rohes S 533 oder Marcel Breuers Freischwinger-Klassiker S 32 und S 64: Es gibt kaum einen namhaften Vertreter der „neuen Sachlichkeit“, der keinen Thonet-Stuhl entworfen hätte. Thonet-Produkte von Designern wie Egon Eiermann, Verner Panton und Piero Lissoni bis hin zu James Irvine, Stefan Diez oder Sebastian Herkner spiegeln bis heute die bereits im 19. Jahrhundert geltenden Prinzipien des „ethischen Designs“ wider: Entwürfe bauen aufeinander auf, einzelne Elemente lassen sich miteinander kombinieren. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit ist es dem Unternehmen aus dem hessischen Frankenberg bis heute ein Anliegen, Bestehendes neu zu interpretieren und an aktuelle Anforderungen anzupassen.

Von den bescheidenen Anfängen in Boppard bis zur Gegenwart und in die Zukunft hinein lässt die Marke Thonet den Geist ihres Gründers Michael Thonet erkennen: ein Genie, das sich nicht verbiegen ließ, um geradlinig entwerfen zu können.

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