Vom Gen zur Therapie: Personalisierte Behandlung für Brustkrebspatientinnen

Die molekulare Diagnostik soll dabei helfen, präzisere Behandlungsformen für Krebspatienten zu finden. Wissenschaftler und Ärzte am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) haben im Rahmen der CATCH-Studie die genetischen Veränderungen bei Patientinnen mit einer fortgeschrittenen Brustkrebserkrankung genauer unter die Lupe genommen. Ziel der noch laufenden Studie ist es, den Betroffenen individuelle Behandlungsoptionen zum Teil jenseits der erprobten Standardtherapie zu eröffnen. Die Auswertung der ersten Studienergebnisse zeigt, dass ein beträchtlicher Teil der Patientinnen von der molekularen Analyse profitiert. Das Programm ist darüber hinaus ein Beispiel, wie sich Ansätze der individuellen Krebsmedizin in den klinischen Alltag integrieren lassen.

Konzepte der Präzisionsonkologie zielen darauf ab, Tumoren individualisiert zu therapieren. In diesem Zusammenhang wird zunehmend auf eine umfangreiche molekulare Diagnostik des Tumormaterials zurückgegriffen, um ein besseres Verständnis für die zugrundeliegende Tumorerkrankung zu erhalten. Auch Brustkrebserkrankungen unterscheiden sich in ihrem molekularen Muster von Patientin zu Patientin. "Diese genetischen Veränderungen entscheiden letztlich darüber, wie die Krankheit verläuft und welche Therapieform den größten Erfolg verspricht", berichtet Andreas Schneeweiss, Leiter der Sektion Gynäkologische Onkologie am NCT Heidelberg und UKHD.

Wissenschaftler und Ärzte am DKFZ, NCT Heidelberg und UKHD untersuchen mit der CATCH- Studie* die genetischen Muster bei Brustkrebs. "Die ersten Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Präzisionsonkologie auf Basis von Sequenzierung des Tumor-Erbguts und Analyse der Genaktivitäten in die Behandlung von Brustkrebspatientinnen implementierbar ist. Jede dritte Patientin hat dabei von der molekularen Analyse profitiert", berichtet Peter Lichter, Leiter der Abteilung Molekulare Genetik am DKFZ und Geschäftsführender Direktor am NCT Heidelberg.

An der Studie teilnehmen können Patientinnen, bei denen eine Therapie basierend auf den spezifischen molekularen Mustern vielversprechender ist, und die mindestens eine für eine Biopsie zugängliche Metastase aufweisen. Genetisches Material aus den Tumorzellen und das Erbgut aus gesunden Blutzellen wird mittels Ganzgenom-Sequenzierung analysiert und verglichen. Die Übersetzung der gefundenen molekularen Varianten in die klinische Anwendung und im Idealfall in konkrete Therapieempfehlungen erfolgt in einer fachübergreifenden Tumorkonferenz, dem interdisziplinären molekularen Tumorboard (iMTB). Die neuen Behandlungsempfehlungen gehen dabei oftmals über die Standardtherapieverfahren hinaus und schließen auch Wirkstoffe ein, die derzeit nur in klinischen Studien getestet werden bzw. nur für die Behandlung anderer Erkrankungen zugelassen sind.

Zum Zeitpunkt der ersten Datenanalyse der CATCH-Studie wurden 128 Patientinnen im iMTB besprochen. 64 dieser 128 Patientinnen wurden entsprechend der Empfehlung behandelt. 53 dieser 64 Patientinnen waren zum Zeitpunkt der ersten Analyse auswertbar. Von diesen 53 behandelten Patientinnen erreichten 21 entweder einen stabilen Erkrankungsverlauf oder ein Ansprechen auf die vom iMTB empfohlene Therapieform.

"Unser Ziel ist es, für Brustkrebs aber auch für weitere Krebserkrankungen den Wert der genomischen Analyseverfahren weiter zu erforschen und im klinischen Alltag zu verankern", sagt Lichter.

*CATCH steht für: Comprehensive Assessment of Clinical Features and Biomarkers To Identify Patients with Advanced or Metastatic Breast Cancer for Marker Driven Trials in Humans. Von Juni 2017 bis März 2021 wurden bereits 495 Patientinnen in die Studie eingeschlossen.

Originalpublikation
M. Hlevnjak, M. Schulze, S. Elgaafary, C. Fremd, L. Michel, K. Beck, K. Pfütze, D. Richter, S. Wolf, P. Horak, S. Kreutzfeldt, C. Pixberg, B. Hutter, N. Ishaque, S. Hirsch, L. Gieldon, A. Stenzinger, C. Springfeld, K. Smetanay, J. Seitz, A. Mavratzas, B. Brors, R. Kirsten, F. Schütz, S. Fröhling, H.-P. Sinn, D. Jäger, V. Thewes, M. Zapatka, P. Lichter, A. Schneeweiss (2021) CATCH: A prospective precision oncology trial in metastatic breast cancer.
JCO Precision Oncology, DOI https://ascopubs.org/doi/abs/10.1200/PO.20.00248

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 80.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt.
Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe hat das UKHD das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter.
Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg rund 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion.

Über Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe (DKH). Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. Seit 2015 hat das NCT Heidelberg in Dresden einen Partnerstandort. In Heidelberg wurde 2017 das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) gegründet. Die Kinderonkologen am KiTZ arbeiten in gemeinsamen Strukturen mit dem NCT Heidelberg zusammen.

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