Mehr Krisenmanagement wagen – gesellschaftliche Resilienz funktioniert nur mit Unternehmen

Am 17.03.2021 stellte der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, die Planungen zur Neuausrichtung des BBK zu einem gemeinsamen Kompetenzzentrum für Akteure des Bevölkerungsschutzes von Bund, Ländern und Hilfsorganisationen vor.

Obgleich die angekündigte Stärkung des BBK grundsätzlich zu befürworten ist, stellt sich für Beobachter weiterhin die Frage nach dem "Ob" und "Wie" eines wirksamen Einsatzes der auch heute schon bestehenden Fähigkeiten innerhalb des föderalen Systems. Zugleich entsteht der Eindruck, dass die vorgestellte Neuausrichtung eher bestehende Konzepte verstetigt als wirklich etwas grundsätzlich Neues wagt.

Im Rahmen seiner Ausführungen verwies der Präsident des BBK darauf, dass aufbauend auf den Erfahrungen der Pandemie eine Resilienz-Strategie für Deutschland entwickelt werden müsse. Tatsächlich ist der Begriff Resilienz in den letzten Monaten häufig dazu verwandt worden, um die Zielvorstellung eines wirksamen und nachhaltigen Umganges mit Krisen zu umschreiben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Resilienz sowohl in der Verhinderung der Schadensereignisse als auch in der Befähigung ausdrückt, mit Krisen und Katastrophen umzugehen. Dies umfasst die Kompetenz, den Eintritt einer Krise zu verhindern oder hinauszuzögern, weil ereignisbedingte Abweichungen vom Normalzustand durch agiles Handeln und vorhandene Reserven kompensiert werden können. Zudem ist die Kompetenz zum Krisenmanagement nach Eintritt eines Schadensereignisses wichtiger Bestandteil der Resilienz. Für die Zukunft des Bevölkerungsschutzes bedeutet dies nicht zuletzt, dass dessen Erfolg untrennbar mit der ebenfalls aktuell diskutierten Modernisierung der Verwaltung verbunden ist.

Die letzten Monate haben deutlich gemacht, dass der Bevölkerungsschutz sich viel stärker auf die realen Gegebenheiten hochvernetzter Gesellschaften einstellen muss. Die Diskussion um die rechtlich unklare und inhaltlich oft nicht überzeugende Abgrenzung der Systemkritikalität von Berufen hat gezeigt, dass die bisherigen Definitionsmuster im Bevölkerungsschutz nicht ausreichen. So sollte das statische Kriterium der branchenbezogenen Zuordnung zu Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) mit klar definierten Schwellwerten durch flexible Zuordnungen in Abhängigkeit der zeitlichen Tolerierbarkeit von Einschränkungen ergänzt werden. Die Corona-Krise zeigt, dass die bisherige Fokussierung auf Aspekte der IT-Sicherheit nicht ausreicht. Eine bloße Erweiterung der bestehenden KRITS-Kategorien, etwa auf den Bildungssektor, ist dagegen wenig zielführend und bedingt strenggenommen auch eine Abstimmung mit dem Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik und den Inhalten der auf den IT-Schutz bezogenen KRITIS-Verordnung. In diesem Zusammenhang sollte die Strategie zum Bevölkerungsschutz auch Eingang in das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 finden.

Gleichzeitig sollte das Potential der Wirtschaft viel stärker in den Blick genommen werden. Gerade in den letzten Monaten haben viele Unternehmen durch entschlossenes und professionelles Handeln gute Beispiele für resilientes Handeln gezeigt. Die Einbindung dieses Potentials in den Bevölkerungsschutz ergibt sich aber auch aus der Notwendigkeit, die stark ehrenamtlich geprägten Strukturen des Bevölkerungsschutzes gerade in längerfristigen Krisen besser zu unterstützen. Ein Einsatz der Streitkräfte, wie im Rahmen der Flüchtlingshilfe und der Pandemie, sollte dagegen immer den Spezialfähigkeiten folgen und nachrangig sein.

Überraschenderweise spielen Unternehmen in dem vorgestellten Konzept zur Neuausrichtung lediglich eine Rolle als Adressaten von Resilienz-Maßnahmen. Auch in der begleitenden Pressekonferenz ging es um Hilfe für Unternehmen und nicht um ihre Einbindung. Hier sollte ein Umdenken erfolgen, da eine wirksame Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzes nicht nur eine stärkere Ressort- und Ebenen-übergreifende, sondern auch eine intensivierte Kooperation zwischen öffentlichem und privatem Sektor erfordert. Die Pandemie zeigt, dass Krisenmanagement nur gemeinsam geht. So könnte beispielsweise ein durch eingeschränkte Planbarkeit und Nachhaltigkeit gekennzeichneter Einsatz der im Konzept angesprochenen Spontanhelfer durch  personelle Unterstützung von Sicherheitsdienstleistern, die im weitesten Sinne mit ähnlichen "Sicherheits"-Aufgaben vertraut sind,  flankiert werden.

Zu begrüßen ist das in der Pressekonferenz durch den Präsidenten Schuster skizzierte Vorhaben, über eine Ausweitung der Aus- und Weiterbildung in Form einer Bundesakademie die Krisenmanagementkompetenzen in der öffentlichen Verwaltung zu stärken. Entsprechende Ansätze gibt es auch für Unternehmen, etwa durch die Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW). Auch in den Unternehmen gibt es Nachholbedarf, wie aktuelle Umfragen (Steinert 2020, Bachelorarbeit NBS Northern Business School sowie ASW 2021, Umfrage AG Krisenmanagement) zeigen. Demnach fehlt es circa 30 Prozent aller Unternehmen in Deutschland an etablierten Krisenmanagementstrukturen. Sicherheit, Krisenmanagement und Resilienz müssen deshalb auch in Unternehmen stärker verankert werden. Auch hier zeigt sich die Synergie zwischen staatlich organisiertem Bevölkerungsschutz und privatwirtschaftlichen Initiativen. Aus- und Fortbildungen zum Krisenmanagement, die im Rahmen einer Anstellung erworben wurden, können einen Mehrwehrt für den Bevölkerungsschutz bieten und umgekehrt. Hierfür muss die Interoperabilität der Krisenbewältigungsstrukturen stärker harmonisiert werden.

Perspektivisch kann eine erfolgreiche Resilienz-Strategie für Deutschland nur gelingen, wenn unternehmerisches Sicherheitsmanagement, behördliches Krisenmanagement und gesellschaftliches Engagement zusammenwirken. Was früher aufgrund des Abstimmungsaufwandes unmöglich schien, ist künftig aufgrund neuer technischer Möglichkeiten umsetzbar.

Rico Kerstan, MBA, ist Lehrbeauftragter im Studiengang Sicherheitsmanagement (B.A.) an der Northern Business School – University of Applied Sciences Hamburg und Geschäftsführer der KR Krisensicher Risikoberatung GmbH. Prof. Dr. André Röhl ist Studiengangleiter des Studiengangs Sicherheitsmanagement (B.A.) an der NBS, roehl@nbs.de.

Über die NBS Northern Business School gemeinnützige GmbH

Die NBS wurde 2007 auf Initiative von Unternehmen und Verbänden in Hamburg ins Leben gerufen, um gezielt Studiengänge anzubieten, die auf die Bedürfnisse des norddeutschen Wirtschaftsraums zugeschnitten sind. Die NBS ist eine staatlich anerkannte Hochschule, die Vollzeit-Studiengänge sowie berufs- und ausbildungsbegleitende Studiengänge in Hamburg anbietet. Zum derzeitigen Studienangebot gehören folgende Studiengänge: Betriebswirtschaft (B.A.), Sicherheitsmanagement (B.A.), Soziale Arbeit (B.A.) und Real Estate Management (M.Sc.).

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