Das Deutsche SchauSpielHaus ist mit »Reich des Todes« zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen

Wie die Festivalleitung der Mülheimer Theatertage heute mitteilte, ist das Stück »Reich des Todes« von Rainald Goetz in der Uraufführung und Inszenierung von Karin Beier am Deutschen SchauSpielHaus Hamburg für die Auswahl der »Stücke 2021« nominiert. Die 46. Mülheimer Theatertage finden vom 8/5 bis 29/5/2020 in Mülheim an der Ruhr statt. 

»Reich des Todes« ist Rainald Goetz’erstes Theaterstück seit 20 Jahren, die Uraufführung in der Regie von Karin Beier eröffnete am 11/9/2020 die Spielzeit 2020-21 am Deutschen SchauSpielHaus. Das Stück beschreibt, wie sich im Schatten einer drohenden Gefahr, befeuert von patriotischem Eifer und in einem rauschhaften Furor der Demokratiezerstörung ein autoritäres Staatsregime etabliert – aktuelle Bezüge zu heutigen autokratischen Staaten mit eingeschlossen. Ausgangspunkt für dieses Szenario ist der „Krieg gegen den Terror“, den George W. Bush unmittelbar nach den Anschlägen von 9/11 deklarierte.

Karin Beier zu der Einladung: „Über die Einladung freue ich mich sehr, insbesondere für Rainald Goetz, dessen großes politisches Gesellschaftsstück wir beglückt zur Uraufführung angenommen haben. Es war eine herausfordernde Arbeit für alle Beteiligten: die Auseinandersetzung mit Rainald Goetz’ hochkomplexem Text, die ungewöhnlichen Probenbedingungen im ersten Lockdown und nicht zuletzt das Bangen, ob und unter welchen Bedingungen wir die Uraufführung überhaupt zeigen können. Umso schöner, dass das Stück in diesem schwierigen Theaterjahr durch die Einladung zu den Mülheimer Theatertagen eine besondere Wertschätzung erfährt.“

Seit 1976 wird Mülheim an der Ruhr jedes Jahr im Mai/Juni zum Zentrum der deutschsprachigen Gegewartsdramatik. Im Rahmen der Mülheimer Theatertage »Stücke« werden hier sieben bis acht Stücke in der jeweils wirksamsten Aufführung, meist der Uraufführung, gezeigt. Die Auswahl trifft ein unabhängiges Gremium aus den in der jeweiligen Saison uraufgeführten deutschsprachigen Stücken. Am Ende der Theatertage vergibt eine Jury aus Kritiker*innen und Theaterschaffenden den mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikpreis an den besten Autor oder die beste Autorin. Die Mülheimer Theatertage »Stücke 2021« werden veranstaltet vom Theater- und Konzertbüro der Stadt Mülheim an der Ruhr und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Mehr zu den Mühlheimer Theatertagen erfahren Sie hier.

Reich des Todes
von Rainald Goetz

Die Krise boomt und mit ihr die Macht der Politiker, die sie zu managen haben. Überall wird in Menschen- und Bürgerrechte eingegriffen, vorübergehend mag das notwendig sein, doch es ist auch die Sternstunde der Autokraten: Orbàn, Erdoğan, Kaczyński, der polnische Justizminister Ziobro, sie alle benutzen die unumgängliche Bekämpfung der Pandemie, um ihre Herrschaft weiter nachhaltig auszubauen.

„Vive la crise!“, dieses Zitat von Proust könnte Rainald Goetz seinem neuen Theaterstück voranstellen, denn auch er beschreibt eine Regierung, die im Schatten einer drohenden Gefahr mit Furor und vermeintlich patriotischem Eifer Demokratiezerstörung betreibt. Es geht um den „Krieg gegen den Terror“, den George W. Bush unmittelbar nach den Anschlägen von 9/11 deklarierte. Wie jetzt? Wieso beschäftigt sich Goetz erst heute mit dem, was im Namen dieses Krieges an Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen in Amerika selbst, vor allem aber auch im völkerrechtswidrigen Irakkrieg geschah? Inklusive der Übergriffe und Folterungen in amerikanischen Gefangenenlagern wie Abu Ghraib? Journalistisch sind diese Ereignisse doch umfassend dokumentiert. Nun, um Dokumentation geht es Rainald Goetz ganz offensichtlich nicht: Die realen Personen der Zeitgeschichte, Bush und sein Regierungskabinett sowie die Täter*Innen von Abu Ghraib verbannt er in eine „Hades“ betitelte Aufzählung unterhalb seines Personalverzeichnisses. Die Stückfiguren nehmen zwar die gleichen Positionen ein, Goetz gibt ihnen aber andere Namen, die auch an Persönlichkeiten aus verschiedenen Zeiten erinnern: Roon, preußischer Kriegsminister des 19. Jahrhunderts, Kelsen, der berühmte Verfassungsrechtler der Weimarer Republik, oder auch Schill, ehemaliger „Richter Gnadenlos“ und Innensenator in Hamburg. Diese Mehrdeutigkeit hat System: Ständig fordert Goetz zu neuen Kontextualisierungen auf, zum Teil durch direkte Anspielungen, beispielsweise auf den deutschen Faschismus. Zum anderen setzt er mehr assoziative Impulse durch Mottos, Zwischentitel, Musiken, die er zitiert, Nebenwelten, die unausgesprochen mitschwingen, dem Stück dennoch eine größere Reichweite verleihen. Goetz versucht – grundsätzlich und spielerisch zugleich – über Strukturen von Machtpolitik und Machtmissbrauch nachzudenken. Krisen können Sternstunden für Autokraten, auch Diktatoren werden, das zeigt die Geschichte. Goetz stellt in diesem Zusammenhang die finstere Frage: Welche Faktoren müssen denn zusammenkommen, damit der Exzess, das „Böse, Kaputte“ Oberhand gewinnen kann?

Es spielen:
SELCH, VIZEPRÄSIDENT: Sebastian Blomberg PINSK, PRIVATSEKRETÄR / BRAUM, OBERGEFREITER / TRENCK, GEFREITER: Maximilian Scheidt DR BANZHAF, CHEFJUSTIZIAR: Holger Stockhaus THURGAU, GEHEIMDIENSTDIREKTOR: Lars Rudolph FR VON ADE, SICHERHEITSBERATERIN: Sandra Gerling GROTTEN, PRÄSIDENT: Wolfgang Pregler ROON, KRIEGSMINISTER: Burghart Klaußner MRS GROTTEN, EHEFRAU/ DARKOVA, BRIGADEGENERAL: Anja Laïs DR SCHILL, JUSTIZRAT / BRAUM, OBERGEFREITER: Daniel Hoevels DR KELSEN, OBERJUSTIZRAT / BRAUM, OBERGEFREITER: Markus John SEBALD, JUSTIZMINISTER / BRAUM, OBERGEFREITER: Michael Weber BRAUM, OBERGEFREITER/ TRENCK, GEFREITER / ATTA, GEFANGENER: Tilman Strauß CINDY, WACHSOLDAT: Eva Bühnen EVE, SOLDAT / TRENCK, GEFREITER: Josefine Israel 

Musiker*innen:
PERCUSSION: Yuko Suzuki PERCUSSION: Fanis Gioles OUD: Wassim Mukdad CELLO: Michael Heupel BRATSCHE: Anna Lindenbaum TÄNZER: João Pedro de Paula, Sayouba Sigué, Samuli Emery, Valenti Rocamora i Tora VIOLINE: Camilla Busemann 

REGIE: Karin Beier / BÜHNE: Johannes Schütz / KOSTÜME: Eva Dessecker, Wicke Naujoks / KOMPOSITION UND MUSIKALISCHE LEITUNG/ KOMPOSITION UND EINSTUDIERUNG „BESCHLUSS“, V. AKT: Jörg Gollasch / VIDEODESIGN: Voxi Bärenklau / DRAMATURGIE: Rita Thiele, Ralf Fiedler 

Uraufführung am 11/9/2020 im SchauSpielHaus

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