Oxfam-Index: Soziale Ungleichheit behindert Covid-19-Bekämpfung

Soziale Ungleichheit hat wesentlich zur rasanten Verbreitung des Covid-19-Virus beigetragen. Das geht aus einem aktuellen Bericht  hervor, den die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam gemeinsam mit Development Finance International (DFI) im Vorfeld der Jahrestagung von IWF und Weltbank veröffentlicht. Er bewertet die Politik der Regierungen von 158 Ländern im Hinblick auf öffentliche soziale Dienste, Steuern und Arbeitnehmerrechte – drei Bereiche, die für die Verringerung der Ungleichheit und die Bewältigung der COVID-19-Krise von entscheidender Bedeutung sind.

Der Bericht „Fighting Inequality in the Time of Covid-19. The Commitment to Reducing Inequality Index 2020“ zeigt deutliche Versäumnisse zahlreicher Länder auf. So haben lediglich 26 von 158 Staaten vor der Pandemie die empfohlenen 15 Prozent ihres Budgets für Gesundheit aufgewendet. In 103 Ländern hatte mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer*innen zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Virus keinen Zugang zu Schutzmaßnahmen wie Krankengeld. Deutschland liegt in der Bewertung auf den vorderen Plätzen, zeigt aber insbesondere im Bereich Bildung große Defizite.

„Weltweit haben Regierungen bei der Bekämpfung der sozialen Ungleichheit katastrophal versagt. Deshalb war die Mehrheit der Länder schlecht gerüstet, um eine Pandemie zu bewältigen. Die Hauptlast dieser Krise tragen die Menschen am unteren Ende der Einkommensskala. Millionen Menschen leiden deshalb unter Armut und Hunger und es gab unzählige vermeidbare Todesfälle“, kritisiert Oxfams Expertin für soziale Ungleichheit Ellen Ehmke.

Der Index macht deutlich, dass keine Regierung auf der Welt vor der Pandemie genug getan hat, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Und obwohl COVID-19 für einige ein Weckruf war, tun viele Regierungen immer noch viel zu wenig. Das trägt zur Verschärfung der Krise bei und hat die Situation von in Armut lebenden Menschen, insbesondere von Frauen, verschärft. Zugleich zeigt der Index, dass alle Länder – ob arm oder reich – mehr tun könnten, und wo sie ansetzen müssen, um Ungleichheit zu verringern.

Einige Ergebnisse des Berichts im Detail:  

  • Deutschland belegt im CRI-Index den dritten Platz. Doch der Bericht zeigt auch auf, wo hierzulande massive Defizite beim Abbau von Ungleichheit bestehen: So steht Deutschland beim Anteil der Bildungsausgaben an den Gesamtausgaben auf einem miserablen Platz 139 von 158, direkt vor dem Südsudan. Und auch Deutschlands Steuersystem schneidet nur mittelmäßig ab. Die Hälfte der untersuchten Länder haben einen gerechteren Mix aus Einkommens-, Unternehmens- und Mehrwertsteuern. Für Deutschland reicht es nur für Platz 77.
  • Die Vereinigten Staaten rangieren unter den wohlhabenden G7-Ländern an letzter Stelle. Bei der Arbeitsgesetzgebung stehen sie aufgrund ihrer gewerkschaftsfeindlichen Politik und eines sehr niedrigen Mindestlohns schlechter da als 17 Länder mit niedrigem Einkommen wie Sierra Leone und Liberia. Die Trump-Regierung gewährte mit ihrem Konjunkturpaket vom April nur vorübergehende Erleichterungen für gefährdete Arbeitnehmer*innen. Die Steuersenkungen aus dem Jahr 2017 sind dagegen permanent und kommen vor allem Unternehmen und reichen Amerikaner*innen zugute.
  • Nigeria, Bahrain und Indien, wo COVID-19 sich derzeit weltweit am schnellsten verbreitet, gehören zu den Ländern, die bei der Bekämpfung der Ungleichheit besonders schlecht abgeschnitten haben. Indiens Gesundheitsbudget (Anteil der Gesundheitsausgaben am Gesamthaushalt) gehört zu den niedrigsten der Welt, und nur die Hälfte der Bevölkerung hat Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung.
  • Positiv fallen dagegen die Länder Togo und Namibia auf, die bereits vor der Pandemie Schritte zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit unternommen haben. So stellten die dortigen Regierungen informellen Arbeiter*innen monatliche Geldzuschüsse bereit, die aufgrund von Abriegelungsmaßnahmen ihren Arbeitsplatz verloren haben.
  • Auch die Ukraine kann punkten: Das Land hat eine der niedrigsten Ungleichheitsraten der Welt auf und es hat trotz des relativ niedrigen Bruttoinlandsprodukts die Löhne der Beschäftigten im staatlichen Gesundheitswesen um bis zu 300 Prozent erhöht.
  • Bangladesch, das auf dem Index nur Platz 113 belegt, hat seit der Pandemie den Beschäftigten im Gesundheitswesen, von denen die meisten Frauen sind, Bonuszahlungen in Höhe von elf Millionen US-Dollar gewährt. Sowohl Myanmar als auch Bangladesch haben mehr als 20 Millionen Menschen zusätzlich in ihre sozialen Sicherungssysteme aufgenommen.
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