Über 500 Landwirbeltiere sind akut von der Ausrottung bedroht

Wir befinden uns mitten im 6. Massensterben der Erdgeschichte und zum ersten Mal wird ein Massensterben von einer einzelnen Art ausgelöst: dem Menschen. Durch die anhaltende Zerstörung von Lebensraum und die Übernutzung der natürlichen Ressourcen werden Populationen von Arten immer stärker isoliert, was in der Konsequenz oft zur Ausrottung der Arten führt.

Die Ausrottung der Arten hat auch für den Menschen Konsequenzen, denn es verschlechtert die Ökosystemleistungen. Eine neue Studie zeigt nun, dass über 500 Arten der Landwirbeltiere akut vor der Ausrottung stehen. Zahlreiche davon stehen im Fokus der Artenschutzbemühungen des Allwetterzoos.

Eine im Juni 2020 erschienene Studie hat 29 400 Arten der Landwirbeltiere auf ihre Bedrohung hin untersucht. Den Autoren zufolge gelten Arten dann als akut von der Ausrottung bedroht, wenn ihre globale Population auf unter 1000 Individuen geschätzt wird. Der Studie zufolge sind dies aktuell 515 Arten, also 1,7 Prozent aller bewerteten Arten. Zudem sind von 77 der erfassten Säugetier- und Vogelarten bereits 94 Prozent der Populationen im vergangenen Jahrhundert verschwunden. Wenn davon ausgegangen wird, dass andere akut bedrohte Arten ähnliche Trends zeigen, dann sind, den Autoren zufolge, insgesamt über 230 000 Populationen dieser Arten seit dem Jahr 1900 ausgerottet worden. „Das klingt erst einmal relativ wenig“, sagt Dr. Philipp Wagner, Kurator für Artenschutz am Allwetterzoo. „Allerdings wird sich das Aussterben noch deutlich beschleunigen. Zum einen steigt der Druck auf die Lebensräume durch den Menschen, zum anderen fördert die zunehmende Degradierung der Ökosysteme in den verbliebenen Lebensräumen den zusätzlichen Artenschwund. Dies zeigt auch eine weitere Studie. Die besagt, dass die Tierwelt, insbesondere Vögel und Säugetiere, nur unzureichend auf die durch den Klimawandel versursachten Extremtemperaturen vorbereitet sind.

„Schaut man sich die Liste der 515 Arten an, dann findet man dort zahlreiche Arten um die wir uns als Allwetterzoo besonders bemühen“, führt Wagner aus. „Für unsere Besucher im Zoo erlebbar sind das zum Beispiel das Przewalski Pferd und das Goldgelbe Löwenäffchen. Beides Arten der insgesamt 74 Säuger, die sich auf der Liste befinden, und die wir hier erfolgreich halten.“ Darüber hinaus findet sich auf der Liste auch der Cat Ba Langur, die am stärksten bedrohte Affenart der Welt für die der Allwetterzoo ein eigenes Artenschutzprojekt gegründet hat, das mittlerweile aber der Zoo Leipzig koordiniert. Laut der Studie sind es aber vor allem die Vögel die besonders stark betroffen sind. Insgesamt 335 der 515 Arten gehören in diese Gruppe. „Hier liegt aber wahrscheinlich auch ein Fehler der Studie“, erklärt Wagner, „denn Vögel sind die mit Abstand am besten untersuchte Wirbeltiergruppe. Populationsschätzungen sind hier deutlich einfacher als zum Beispiel bei Reptilien oder Amphibien.“

Auf Vögeln liegt auch ein Fokus der Artenschutzprojekte in Münster. Im ACCB, dem Artenschutzzentrum des Allwetterzoos in Kambodscha, wurde gerade die erste Zuchtvoliere für den Weißschulteribis fertig erstellt. Dabei stehen seine Chancen mit insgesamt rund 1000 Individuen verhältnismäßig gut. „Sehr viel schlimmer steht es um den Riesenibis, von dem es gerade einmal noch 300 Individuen in der Natur gibt. Oder der Bartrappe, die in Südostasien nur noch mit wenigen Individuen in Kambodscha vorkommt“, erklärt Wagner die Bemühungen des ACCBs. Beide Arten werden dort gehalten und hoffentlich bald gezüchtet, denn auch sie finden sich auf der Liste wieder. „Und dann sind wir noch nicht mal bei Arten wie der Malaienente, die regelmäßig zu uns gebracht wird, weil sie verletzt aufgefunden oder vor dem Kochtopf gerettet worden ist. Hier fehlt uns aber das Geld für ein zielgerichtetes Zuchtprogramm.“

Was die Studie nicht erfasst hat sind die unzähligen Arten von denen zwar bekannt ist, dass sie kritisch bedroht sind aber Individuenzahlen in der Natur unbekannt oder nicht ermittelbar sind. „Das betrifft zum Beispiel unsere Scharnierschildkröten die wir in unserem Zentrum für Schildkrötenschutz (IZS) im Allwetterzoo erfolgreich vermehren oder die Südliche Flussschildkröte im ACCB. Von Zhous Scharnierschildkröte ist nicht ein einziges Individuen in der Natur bekannt. Die Art wurde also von der Studie gar nicht erfasst und steht dennoch kurz vor der Ausrottung. Genau wie die Goldkopf- und McCords Scharnierschildkröte, die sich ebenfalls nicht auf der Liste wiederfinden obwohl sie in der Natur kurz vor der Ausrottung stehen“, kritisiert  Wagner die Studie. Und das betrifft nicht nur Schildkröten. Denn auch Amphibien litten unter diesem „Systemfehler“ wie er sagt. Denn der bewirkt, dass nur 41 Reptilien- und 65 Amphibienarten in der Studie als akut vor der Ausrottung stehend eingestuft wurden. „Auf der anderen Seite wissen wir, dass Arten wie der Titicaca-Riesenfrosch oder der Dumeril Querzahnmolch, die wir beide im Allwetterzoo halten, bereits aus ihren Lebensräumen verschwunden sind. Eine wirkliche Populationsschätzung wurde nie gemacht, weil die Arten quasi schon weg sind.“ Und aus diesem Grund wären auch sie nicht Teil der Studie gewesen. „Ich gehe daher davon aus, das in der Realität die Reptilien und Amphibien eine mindestens so hohe Zahl wie die der Vögel erreichen und wir insgesamt von über 1000 Arten ausgehen müssen, die akut vor der Ausrottung stehen. Damit wird die Situation deutlich schlimmer, als es die Studie aktuell aufzeigt“, führt Wagner weiter aus.

„Natürlich sind wir als Zoo nur ein Puzzlestein im Gesamtkonzept“, sagt Wagner. „Umso dringender müssen wir dieses Puzzle endlich zusammenlegen. Denn weder die Zoos auf der einen, noch die Naturschutzverbände auf der anderen Seite werden diese 515 Arten retten – das schaffen wir nur gemeinsam.“ Wichtig sei es, dass Ressentiments, die teilweise gegen Zoos gepflegt werden, endlich überwunden werden, um gemeinsam gegen das durch den Menschen ausgelöste Massensterben anzukämpfen. Ansonsten sind und bleiben Einrichtungen wie der Allwetterzoo die letzte Verteidigungslinie im Überleben dieser Arten.“

Links zu den Studien:

https://www.pnas.org/content/pnas/early/2020/05/27/1922686117.full.pdf

https://www.pnas.org/content/pnas/suppl/2020/05/27/1922686117.DCSupplemental/pnas.1922686117.sapp.pdf

https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphys.2020.00419/full

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