Deutliche Kritik an Verordnung zur Methodenbewertung: Gefahr für Patientensicherheit

Der AOK-Bundesverband übt deutliche Kritik am Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine Verordnung zur Neuregelung des Verfahrens zur Bewertung neuer medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA): „Mit der neuen Verordnung soll der G-BA gezwungen werden, bei der Bewertung von neuen medizinischen Methoden auch Studien heranzuziehen, die nur wenig oder gar keine Aussagekraft zum Nutzen oder Schaden für die Patienten haben“, sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Dies werde zu einer Aushöhlung der Grundsätze der evidenzbasierten Methodenbewertung führen. Die AOK befürchte negative Folgen für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten: „Die neue Verordnung ebnet den Weg dafür, dass zukünftig unwirksame oder gar schädliche Untersuchungen und Behandlungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden könnten“, so Litsch.

Mit der sogenannten „Methodenbewertungsverfahrensverordnung“ (MBVerf-VO) sollen aber nicht nur die Anforderungen an die medizinische Evidenz der G-BA-Entscheidungen abgesenkt werden. Gleichzeitig sieht der Entwurf auch vor, die Fristen für die Recherche und Auswertung der Studien durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) und den G-BA drastisch zu verkürzen. Dies wird aus Sicht der AOK den komplexen Fragestellungen nicht gerecht und würde eine zuverlässige Methodenbewertung noch schwerer machen. „Dazu kommt, dass die Wirtschaftlichkeit der untersuchten Methoden in der Verordnung gar nicht thematisiert wird“, kritisiert Litsch. „Das Bundesgesundheitsministerium nimmt an Beitragszahlern und Leistungserbringern vorbei tiefe Eingriffe in die Verfahrensordnung des G-BA vor, von denen vor allem die Wirtschaft profitiert. Die Anbieter von neuen Leistungen erhalten durch die Verordnung schneller und leichter Zugang zum lukrativen GKV-Markt – auf Kosten der Patientensicherheit.“

Welche Folgen das für die Betroffenen haben kann, zeigt das Beispiel der intrakraniellen Stents, die zur Verminderung des Schlaganfall-Risikos entwickelt wurden. Während die zunächst durchgeführten kleineren Studien für eine Wirksamkeit sprachen, enthüllten erst methodisch hochwertige Studien, dass die intrakraniellen Stents zu mehr Gehirnblutungen und Schlaganfällen führten. Sie wurden daher 2016, abgesehen von wenigen schweren Fällen ohne Therapiealternative, aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. „Das Beispiel verdeutlicht, welche lebensbedrohlichen Risiken für Patienten entstehen können, wenn neue Methoden auf Basis unzureichender Evidenz in der Versorgung breit eingesetzt werden. Und es zeigt, wie gering die Aussagesicherheit von Studien minderer Qualität ist“, so Litsch.

Die Grundlage für die aktuell vorgelegte „Methodenbewertungsverfahrensverordnung“ bildet das Implantateregister-Errichtungsgesetz (EIRD) vom Dezember 2019. Darin wurde eine Verordnungsermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit geschaffen. Sie erlaubt es dem Bundesgesundheitsministerium, wesentliche Vorgaben für das Verfahren des G-BA zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in einer Rechtsverordnung zu regeln. Der AOK-Bundesverband hatte bereits anlässlich des Kabinettsbeschlusses zum Implantateregister-Gesetz im April 2019 die weitreichenden Eingriffsrechte des Gesundheitsministeriums in die Bewertung von neuen medizinischen Methoden kritisiert. Damit würden Lobbyinteressen Tor und Tür geöffnet – zulasten der Patienten.

Die Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes zur Verordnung steht zum Download unter https://aok-bv.de/positionen/stellungnahmen/

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