Remondis scheitert mit DSD-Kauf

Die Entscheidung des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf kam nicht gänzlich überraschend, wurde aber beim bvse mit Erleichterung aufgenommen. Im Interview mit Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, wird das Urteil und seine Auswirkungen beleuchtet.

Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat entschieden: Remondis darf die DSD GmbH nicht übernehmen. Das ist doch sicher eine gute Nachricht für den bvse?

Eric Rehbock: Wir haben uns von Anfang an gegen diese geplante Übernahme ausgesprochen und als einziger Branchenverband erhebliche Anstrengungen unternommen dagegenzuhalten. Gemeinsam mit dem Bundeskartellamt haben wir vor dem Oberlandesgericht beantragt, die Beschwerde gegen die Untersagung zurückzuweisen. Das zeigt, der bvse steht für den Mittelstand ein und kämpft erfolgreich für dessen Interessen. Insofern sind wir sehr zufrieden. Die Entscheidung ist aber vor allem eine gute Nachricht für die gesamte Recycling- und Entsorgungsbranche in Deutschland. Wir haben eine enorm positive Resonanz von Unternehmen weit über unseren Verband hinaus erhalten. Das hat uns zum Teil durchaus überrascht, aber vor allem natürlich sehr gefreut.

Die Argumentation des bvse hat das Verfahren beeinflusst?

Eric Rehbock: Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist auch hier geprägt von einer beeindruckenden Klarheit. Das Gericht hat dem bvse attestiert, dass wir unsere Auffassung im Verfahren stichhaltig und umfassend begründet und das Verfahren in der Beschwerdeinstanz wesentlich gefördert haben.

Remondis kann das Urteil jedoch nicht nachvollziehen.

Eric Rehbock: Wenn das mit großem Abstand größte Entsorgungsunternehmen das bis dahin größte duale System übernimmt, hätte das erhebliche Marktauswirkungen gehabt. Die Marktmacht ist im Falle von Remondis einzigartig und erdrückend. Von daher ist auch unsere Einschätzung, dass es im Falle einer Übernahme zu erheblichen Wettbewerbsbehinderungen kommen würde, ganz offensichtlich zutreffend. Wenn es zur Übernahme gekommen wäre, hätte dies zu einer zusammenschlussbedingten marktbeherrschenden Position im Altglasbereich geführt. Das allein war für das Gericht schon ausreichend, um die Untersagungsentscheidung des Bundeskartellamtes zu bestätigen. Die Auswirkungen für die Branche wären unserer Meinung nach jedoch erheblich gravierender gewesen.

Welche Gefahren für den Wettbewerb in der Branche hätte sich ansonsten noch ergeben?

Eric Rehbock: Erstens hätte die Fusion auf Seiten Remondis/DSD den Anreiz gegeben, Ausschreibungen für LVP und Glas in Gebieten mit DSD Ausschreibungsführerschaft durch Unter-Kosten-Preise zu gewinnen und so andere Entsorger aus diesen Gebieten zu verdrängen. Da die „Kosten“ einer Verdrängungsstrategie aufgrund der Hauptkostenverantwortung des Ausschreibungsführers zumindest zu 50 % wieder über DSD hätte aufgefangen werden können. Eine zweite Möglichkeit, andere Entsorger von den Erfassungsaufträgen von DSD für LVP und Glas abzuschotten, hätte sich aus den weitreichenden PPP-Beteiligungen von Remondis ergeben können. Der Zusammenschluss hätte demnach eine erhebliche Behinderung des Wettbewerbs zur Folge gehabt.

Dann ist die Gefahr aus Sicht des Mittelstandes jetzt gebannt?

Eric Rehbock: Das sehe ich keineswegs so. Die Fusion hätte die Übernahmedynamik natürlich stark beschleunigt und so die mittelständische Struktur unserer Branche erheblich beschädigt. Insofern gehe ich davon aus, dass die Entwicklung abgebremst worden ist. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Wie geht es denn jetzt weiter?

Eric Rehbock: Wir beobachten seit einiger Zeit eine wachsende Konzentration auf den Entsorgungsmärkten. Viele mittlere Unternehmen werden von den Großen der Branche aufgekauft. In vielen Regionen Deutschlands gibt es eine rückläufige Beteiligung an den Ausschreibungen für Entsorgungsaufträge. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung. Hier muss man gezielt gegensteuern.

Gibt es dazu denn überhaupt ein geeignetes Instrumentarium?

Eric Rehbock: Hier liegt das Hauptproblem. Bisher ist es so, dass die sogenannte Aufgreifschwelle in der Regel zu hoch liegt. Denn der Umsatz des zu übernehmenden Mittelständlers liegt meist unter 5 Millionen Euro. Dann aber hat das Bundeskartellamt keine Möglichkeit einzugreifen. Wir erhoffen uns von der geplanten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) jedoch eine Erweiterung der Prüfmöglichkeiten des Bundeskartellamtes.

Wie könnte das Instrumentarium für das Bundeskartellamt geschärft werden?

Eric Rehbock: Der GWB-Entwurf sieht bisher eine Verdoppelung der Aufgreifschwelle auf 10 Millionen Euro vor, was wir natürlich sehr kritisch sehen, denn damit hätte das Bundeskartellamt noch weniger Möglichkeiten als bisher bei sogenannten Kettenaufkäufen einzugreifen. Allerdings wird eine wichtige Ergänzung diskutiert. Danach soll das Bundeskartellamt zukünftig die Möglichkeit erhalten, wettbewerbsrelevante Unternehmenszusammenschlüsse zu kontrollieren, obwohl der Jahresumsatz des aufgekauften Unternehmens unterhalb der Aufgreifschwellen liegt. Wir sind der Überzeugung, dass durch dieses Instrument das Bundeskartellamt in der Lage ist im begründeten Einzelfall wirksam einzugreifen, um den Wettbewerb zu gewährleisten und damit im Endeffekt auch für einen effektiven Verbraucherschutz zu sorgen. Denn klar ist, dass auf Marktkonzentrationen regelmäßig auch Preiserhöhungen folgen.

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