Folgen der Coronakrise für Kinder in Osteuropa: SOS-Kinderdörfer erhalten immer mehr Anfragen von verzweifelten Eltern

In Osteuropa mehren sich die Anfragen von Eltern und Sozialämtern, die aufgrund der Corona-Krise dringend einen Platz für ein Kind im SOS-Kinderdorf suchen. Die Hilfsorganisation SOS-Kinderdörfer warnt, dass die Pandemie zur lebensbedrohlichen Gefahr für Kinder und Jugendliche wird, deren Familien auf die Unterstützung und Betreuung von Hilfsorganisationen angewiesen sind.

„Die Schließungen von Hilfsprogrammen, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sowie der Wegfall von Einkommensmöglichkeiten treffen benachteiligte Familien besonders hart“, sagt Angelika Schwaiger, Programmleiterin der SOS-Kinderdörfer weltweit. Die Betroffenen reagierten mit Angst und Verzweiflung: „Wir fürchten eine weiter zunehmende Verarmung, einen Anstieg an Depressionen, Alkoholkonsum, häuslicher Gewalt, Vernachlässigung und Kindesmissbrauch“, so Schwaiger weiter. „Wir arbeiten unter Hochdruck an Lösungen für diese Kinder, aber was an normalen Tagen problemlos funktioniert, ist heute schwierig geworden: Kinder könnten zum Beispiel infiziert sein und das Virus in unsere Einrichtungen bringen.“

Immer mehr Familien drohten zu zerbrechen, weil die Helfer keinen direkten Zugang mehr zu den Bedürftigen hätten: „Ein Großteil unserer Hilfsangebote, wie zum Beispiel Therapien und Jobberatungen, sind wegen der Beschränkungen bis auf weiteres geschlossen. Mit verheerenden Folgen für die Betroffenen: Eltern, die mit unserer Hilfe Arbeit gefunden haben, werden gekündigt und jene, die sich gerade erst kleine Geschäfte aufgebaut haben, können nicht mehr produzieren“, sagt Schwaiger.

Die SOS-Kinderdörfer hätten ihre Unterstützung nun vorübergehend auf primär materielle und finanzielle Hilfe umgestellt, um zumindest die Grundversorgung zu gewährleisten. Dies umfasse die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten sowie Schutzmasken und Handschuhen. „Aber wir dürfen diese Menschen auch in ihrer seelischen Not nicht alleine lassen“, sagt Schwaiger. „Deshalb nehmen wir ihre Anrufe entgegen und rufen sie regelmäßig an.“

Herausforderungen und Risiken
– Obwohl Kinder von COVID-19 laut medizinischer Expertise weniger stark betroffen sind, müssen der Staat, Pflegestellen, Organisationen und die Gemeinschaft aufmerksam bleiben, um Kinderrechte zu sichern und lang andauernde Traumata zu verhindern.

– Kinder und Jugendliche, die Hilfe der SOS-Kinderdörfer benötigen, sind meist von Vernachlässigung, Missbrauch, Ausbeutung und Diskriminierung bedroht. Die gegenwärtige Situation birgt zusätzliche Risiken, wenn die Unterstützung durch Experten nicht gewährleistet ist.

– Kinder und Familien, die sozial diskriminiert werden, leben häufig in überfüllten, hygenisch unzureichenden Quartieren, sind in einem schlechten Gesundheitszustand beziehungsweise haben Vorerkrankungen wie Tuberkulose oder Diabetes. Sie sind aktuell einem erhöhten Risiko ausgesetzt zu erkranken. 

– Das allgemeine Gefühl von Unsicherheit und mangelnder Stabilität aufgrund ständiger Veränderungen in der täglichen Routine und laufend neuer Maßnahmen in Folge von COVID-19 beeinträchtigen Kinder und Jugendliche und sind Stressfaktoren, speziell für diejenigen mit einer schwierigen Vorgeschichte. 

– In Ausnahmesituation zeigen Kinder, die psychisch vorbelastet sind, häufig Verhaltensänderungen, sind ängstlich, manche ziehen sich zurück oder haben Alpträume. Gerade jetzt brauchen sie Bezugspersonen wie die Eltern oder auch die Sozialpädagogen der SOS-Kinderdörfer mehr denn je.

– Eltern laufen Gefahr, ihre Arbeit zu verlieren und befinden sich in einer verschärften ökonomischen Situation, da sie weder über andere Einkommensquellen noch Ersparnisse verfügen und ihnen die finanziellen Mittel fehlen, um selbst ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen.

– Es besteht ein erhöhtes Risiko, dass durch die Isolation Fälle von Kindesmissbrauch zunehmen, da Kinderschutzbehörden nicht die Möglichkeit und die Kapazität haben, Fällen angemessen nachzugehen.

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